2. Einleitung eines Befangenheitsverfahrens und weitere Verfahrensfragen
2.3. Ablehnung eines oder mehrerer Kammermitglieder durch einen Beteiligten
Die meisten Befangenheitsverfahren werden von Verfahrensbeteiligten initiiert, die ein Kammermitglied nach Art. 24 (3) EPÜ ablehnen. Der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass niemand über eine Angelegenheit entscheiden darf, in der er von einem Beteiligten aus guten Gründen der Befangenheit verdächtigt werden kann, gilt nicht nur für Mitglieder der Beschwerdekammern, sondern auch für Bedienstete der erstinstanzlichen Organe des EPA, die an Entscheidungen mitwirken, die die Rechte eines Beteiligten berühren können (s. G 5/91, ABl. 1992, 617; G 1/05, ABl. 2007, 362; T 433/93, ABl. 1997, 509; T 95/04, T 283/03, T 1193/02).
Art. 24 (3) EPÜ bestimmt, dass "die Mitglieder" der Beschwerdekammern von jedem Beteiligten abgelehnt werden können. Die Kammer in T 843/91 (ABl. 1994, 818) folgerte daraus, dass die Mitglieder einer Kammer einzeln oder gemeinsam abgelehnt werden können (s. auch T 1020/06 vom 28. November 2008 date: 2008-11-28, wo alle Mitglieder der ursprünglichen Kammer nach Art. 24 (4) Satz 2 EPÜ 1973 ersetzt wurden).
In T 1656/17 ging die Ersatzkammer davon aus, dass die substantiierten Behauptungen vermuteter Befangenheit, obwohl diese größtenteils das Verhalten und Aussagen des Vorsitzenden, nicht aber der anderen beiden Kammermitglieder betrafen, gleichermaßen auch für Letztere galten. Der Kammer zufolge handelt der Vorsitzende bei der Leitung der mündlichen Verhandlung normalerweise nach Beratung mit den anderen Kammermitgliedern oder unter deren stillschweigender Zustimmung. Im vorliegenden Fall konnte die ablehnende Partei daher berechtigterweise annehmen, dass das Verhalten des Vorsitzenden von den anderen beiden Mitgliedern mitgetragen wurde.