3.8.3 Berichtigung der Zurücknahme der Anmeldung
Im Fall J 4/97 informierte der Anmelder das EPA drei Tage nach der Zurücknahme, dass der Antrag versehentlich gestellt worden sei und widerrufen werde. Das EPA setzte den Anmelder davon in Kenntnis, dass die Zurücknahme rechtskräftig und bindend sei und später im Europäischen Patentblatt veröffentlicht werde. Trotzdem vertrat die Juristische Kammer die Auffassung, dass die Zurücknahme der Anmeldung gemäß R. 88 EPÜ 1973 (entspricht R. 139 EPÜ) berichtigt werden kann. Die in J 10/87 angestellten rechtlichen Überlegungen zum Widerruf einer Zurücknahme der Benennung eines Vertragsstaats gelten auch für die Zurücknahme einer Patentanmeldung als Ganzes. Insbesondere muss eindeutig feststehen, dass die Zurücknahme einem entschuldbaren Versehen zuzuschreiben ist, der Widerruf unverzüglich beantragt wird und das Interesse der Öffentlichkeit oder Dritter durch den Widerruf der Zurücknahme nicht beeinträchtigt wird. Unter den hier gegebenen Umständen deutete nach Auffassung der Juristischen Kammer allein schon die Tatsache, dass die Zurücknahme bereits nach drei Tagen widerrufen worden war, mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hin, dass sie tatsächlich versehentlich erfolgt ist. Das Versehen war durch die Verwechslung zweier ähnlicher Referenznummern entstanden, die der Anmelder seinen Patentanmeldungen gegeben hatte. Nach Ansicht der Juristischen Kammer konnte dies als entschuldbares Versehen betrachtet werden. Das Interesse der Öffentlichkeit war nicht beeinträchtigt, weil die Zurücknahme vor der Eintragung ins Europäische Patentregister und mehr als 6 Wochen vor der amtlichen Bekanntmachung im Europäischen Patentblatt widerrufen wurde. Zum Zeitpunkt, als die Zurücknahme der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde, war aus dem öffentlichen Teil der Akte also klar ersichtlich, dass ein Antrag auf Widerruf der Zurücknahme gestellt worden war, womit Dritte davor gewarnt waren, sich auf die Bekanntmachung des EPA zu verlassen. Nach Auffassung der Kammer können Interessen Dritter, die Einsicht in die Akte genommen haben, dadurch geschützt werden, dass die nationalen Gerichte Art. 122 (6) EPÜ 1973 entsprechend anwenden. In J 5/19 jedoch, wich die Juristische Kammer insofern von beispielsweise J 10/87 und J 4/03 ab, als diese beiden Entscheidungen Berichtigungen nach R. 139 EPÜ an die Bedingung geknüpft hatten, dass der Mangel einem entschuldbaren Versehen zuzuschreiben war.