2.2. Formanforderungen an den Einspruch und fristgerechte Einlegung
2.2.1 Einleitung
Der Einspruch muss gemäß Art. 99 (1) EPÜ innerhalb von neun Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Europäischen Patentblatt eingelegt werden. Er gilt erst als eingelegt, wenn die Einspruchsgebühr entrichtet worden ist. Im Interesse der Rechtssicherheit stellt das Übereinkommen an einen Einspruch bestimmte Anforderungen, die vor Ablauf der Einspruchsfrist erfüllt sein müssen, insbesondere, dass der Einspruch schriftlich einzulegen und zu begründen ist (R. 76 (1) EPÜ), dass er ausreichende Angaben zur Person des Einsprechenden (R. 76 (2) a) EPÜ) und zum angefochtenen Patent enthält (R. 76 (2) b) EPÜ), dass erklärt wird, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, und dass die zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel angegeben werden (R. 76 (2) c) EPÜ). Dass den Erfordernissen der R. 76 (2) c) EPÜ (R. 55 c) EPÜ 1973) nachgekommen wird, ist nicht nur für die Zulässigkeit des Einspruchs entscheidend. Damit wird auch der rechtliche und faktische Rahmen des Einspruchs festgelegt (s. G 9/91 und G 10/91, ABl. 1993, 408 und 420).
In T 1408/19 wurde in der Einspruchsschrift, die am letzten Tag der neunmonatigen Einspruchsfrist gemäß Art. 99 (1) EPÜ eingereicht worden war, die Veröffentlichungsnummer des Dokuments E2 falsch angegeben. Die Kammer wies die Auslegung des Beschwerdegegners von T 344/88 zurück, wonach die Einspruchsabteilung hätte in der Lage sein müssen, innerhalb der Neunmonatsfrist nach Art. 99 (1) EPÜ die richtige Veröffentlichungsnummer zu ermitteln. Es sei völlig unrealistisch, von der Einspruchsabteilung zu erwarten, dass sie derartige Fehler sofort überprüft. Aus dem normalen Tagesgeschäft des Amtes ergebe sich, dass die Abteilung erst später mit der Akte befasst und sie höchstwahrscheinlich nicht einmal innerhalb der Einspruchsfrist zu Gesicht bekommen werde. Nach Ansicht der Kammer war im vorliegenden Fall aber entscheidend, dass alle für die (möglicherweise spätere) Feststellung der richtigen Veröffentlichungsnummer von E2 erforderlichen Unterlagen und Informationen vor Ablauf der Neunmonatsfrist nach Art. 99 (1) EPÜ vorgelegt worden waren.
In T 571/22 bestätigte die Kammer den Ansatz, wonach das Ende der Einspruchsfrist nach Art. 99 (1) EPÜ ein fester Zeitpunkt ist, ab dem es im Ermessen der Einspruchsabteilung liegt, die vom Einsprechenden vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel nicht zuzulassen (s. T 1776/18, zusammengefasst unten in diesem Kapitel IV.C.5.1.6). Dementsprechend liege es im Ermessen der Einspruchsabteilung, Tatsachen und Beweismittel, die nicht innerhalb der neunmonatigen Einspruchsfrist eingereicht wurden, nicht zuzulassen.