2.5.2 Form und Inhalt der Beschwerdeschrift (Regel 99 (1) EPÜ)
Die Beschwerdeschrift muss einen Antrag enthalten, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt wird (R. 99 (1) c) EPÜ).
Nach R. 64 b) EPÜ 1973 musste die Beschwerdeschrift auch einen Antrag enthalten, der die angefochtene Entscheidung und den Umfang anzugeben hatte, in dem ihre Änderung oder Aufhebung begehrt wurde. War der Umfang des Antrags in der Beschwerdeschrift nicht ausdrücklich aufgeführt, so wurde geprüft, ob er sich aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers ergab (vgl. T 7/81, ABl. 1983, 98 und T 32/81, ABl. 1982, 225; s. auch T 925/91, T 932/93, T 372/94). Dieses Erfordernis betrifft nunmehr die Beschwerdebegründung und nicht mehr die Beschwerdeschrift und ist im geändertem Wortlaut in R. 99 (2) EPÜ niedergelegt.
In der Entscheidung G 1/99 (ABl. 2001, 381) wies die Große Beschwerdekammer darauf hin, dass Fragen, die über den Gegenstand der angefochtenen Entscheidung hinausgehen, nicht Bestandteil der Beschwerde sind. Somit ist es der Beschwerdeführer, der – im Rahmen des ihn beschwerenden Gegenstands der angefochtenen Entscheidung – in der Beschwerdeschrift bestimmt, in welchem Umfang er die Änderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt.
In T 358/08 befand die Kammer, dass R. 99 EPÜ das frühere Recht hinsichtlich der Erfordernisse der Beschwerdeschrift und der Beschwerdebegründung nicht verändert hat, was die Anträge des Beschwerdeführers betrifft. R. 99 (1) c) EPÜ ist erfüllt, wenn die Beschwerdeschrift einen Antrag (der auch implizit sein kann) auf die vollständige oder (gegebenenfalls) nur teilweise Aufhebung der Entscheidung enthält. Ein solcher Antrag hat die Wirkung, dass "der Beschwerdegegenstand festgelegt wird". Im Falle einer Beschwerde durch den Patentanmelder oder -inhaber ist es außerdem nicht notwendig, dass die Beschwerdeschrift einen Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents in einer bestimmten Form enthält. Dieser Sachverhalt bezieht sich darauf, "in welchem Umfang [die Entscheidung] abzuändern ist" und gehört deshalb zur Beschwerdebegründung gemäß R. 99 (2) EPÜ. Dies wurde in zahlreichen Entscheidungen bestätigt, z. B. T 844/05, T 509/07, T 9/08, T 226/09, T 689/09 und T 648/10.
Der R. 99 (1) c) EPÜ ist regelmäßig Genüge getan, wenn in der Beschwerdeschrift erklärt wird, dass "Beschwerde eingelegt wird". Durch diese Erklärung wird der Beschwerdegegenstand dahin gehend festgelegt, dass die rechtlichen Wirkungen, die von der Entscheidung ausgehen, rückgängig gemacht werden sollen. Die konkrete Fassung, in der ein Patentinhaber sein Patent aufrecht erhalten wissen will, kann dann noch im Rahmen der Beschwerdebegründung nach R. 99 (2) EPÜ beantragt werden, die die Gründe für die Aufhebung bzw. den Umfang der beantragten Abänderung enthalten soll (T 1777/14, T 424/15).
In T 2561/11 fasste die Kammer die ständige Rechtsprechung zusammen, soweit sie die Formulierung "einen Antrag, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt wird" im Sinne der R. 99 (1) c) EPÜ betrifft, und erklärte, dass die Kammern wiederholt Beschwerden von Patentinhabern gegen eine Widerrufsentscheidung als Antrag ausgelegt haben, die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben, obwohl der Einspruchsabteilung Hilfsanträge vorgelegen hatten (s. T 358/08). Genauso werde bei Beschwerden gegen die Zurückweisung des Einspruchs die Beschwerde des Einsprechenden als Antrag ausgelegt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen (T 9/08, T 183/12 und T 256/13).
In T 620/13 erläuterte die Kammer, dass die Beschwerdeschrift eine eindeutige, klare und vor allem ausdrückliche Aussage enthalten muss, die als rechtliche Erklärung zur angefochtenen Entscheidung und zum Beschwerdegegenstand zu erkennen ist (s. auch J 19/90). Unerheblich war, dass der Geschäftsstellenbeamte feststellen konnte, gegen welche Entscheidung Beschwerde eingelegt wurde (s. auch T 551/15). Die Kammer stellte fest, dass der erforderliche Antrag, in dem der Beschwerdegegenstand festgelegt wird, implizit sein kann. Bei korrekter Auslegung der Entscheidung T 358/08 gilt dies außerdem nur für den Teil des Antrags, in dem angegeben wird, ob die Entscheidung ganz oder teilweise aufgehoben werden soll. Das Argument, dass kein Antrag gestellt werden müsse, wird von der Entscheidung T 358/08 nicht gestützt. Die Beschwerde wurde als unzulässig verworfen.