4.2.2 Erste Stufe des Konvergenzansatzes: Änderungen des Vorbringens – Artikel 12 (4) VOBK
(i) Darlegungspflicht des Beteiligten
Wie die Kammer in T 246/22 betonte, trägt grundsätzlich derjenige Beteiligte, der ein Vorbringen vorlegt, die Darlegungspflicht dafür, dass dieses "in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten" wurde. Siehe auch die weiteren in Kapitel V.A.4.2.2 c)(ii) zitierten Entscheidungen.
(ii) Zur Frage, ob Anträge "aufrechterhalten" wurden
In T 1214/21 wurden ein zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichter Antrag und ein in dieser mündlichen Verhandlung gestellter Antrag beide als "Neuer Hauptantrag" bezeichnet. Die Kammer war der Ansicht, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass die Auffassung der Einspruchsabteilung, der neue Hauptantrag solle den früheren ersetzen, falsch gewesen sei. Es gab keinen Grund, warum die Einspruchsabteilung den Status des früheren Antrags hätte klären müssen.
Eine andere Verfahrenssituation lag T 1788/21 zugrunde. In dieser Sache sah die angefochtene Entscheidung vor, das Patent in geänderter Form auf der Grundlage des damaligen Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten. Im Beschwerdeverfahren beantragte der Antragsgegner (Patentinhaber) die Aufrechterhaltung des Patents gemäß einem Anspruchssatz, der im Einspruchsverfahren als zweiter Hilfsantrag eingereicht worden war. Nach Ansicht der Kammer deutete nichts darauf hin, dass dieser Antrag im erstinstanzlichen Verfahren nicht aufrechterhalten worden war.
In T 1516/20 sah die Kammer in den Hilfsanträgen 1, 2, 3 und 5 eine Änderung des Beteiligtenvorbringens. Nach Ansicht der Kammer war im Einspruchsverfahren eine Änderung der Rangfolge erfolgt. Die obigen Hilfsanträge waren nämlich übersprungen worden, nachdem die Einspruchsabteilung Bedenken zu ihrer Gewährbarkeit geäußert hatte. Sie wurden nicht abschließend verhandelt und es wurde diesbezüglich keine Entscheidung getroffen. Hilfsantrag 3 wurde sogar durch einen anderen Hilfsantrag 3 ersetzt. Die Kammer betonte, dass das Beschwerdeverfahren nicht als zweite Chance gedacht ist, einen Fall vorzutragen, der vor der erstinstanzlichen Stelle bewusst nicht zur Entscheidung gestellt wurde. Die Hilfsanträge 1, 2, 3 und 5 nun wieder in ihrer ursprünglichen Reihenfolge vorzubringen, einschließlich dem Wiedereinreichen des zurückgenommenen Hilfsantrags 3, stellte nach Ansicht der Kammer eine Änderung gemäß Art. 12 (4) VOBK dar. Siehe auch T 206/22.
(iii) Zur Frage, ob Einwände "aufrechterhalten" wurden
In T 526/21 stellte die Kammer fest, dass die auf D24 und D34 gestützten Angriffe während des Einspruchsverfahrens in Erwiderung auf die vorläufige Stellungnahme der Einspruchsabteilung schriftlich vorgebracht worden waren, in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht erwähnt wurden. Laut dem Protokoll der mündlichen Verhandlung Einspruchsverfahren waren sich die Einsprechenden einig, dass D9 der nächstliegende Stand der Technik sei, und der Patentinhaber argumentierte, dass Beispiel 2 von D2 ein besserer nächstliegender Stand der Technik sei. Anschließend wurde die Wahl zwischen D2 und D9 erörtert, es wurde jedoch kein anderes Dokument von den Einsprechenden in Betracht gezogen. Keiner der Beschwerdeführer beantragte eine Berichtigung des Protokolls. In Übereinstimmung mit T 2730/16 war die Kammer der Ansicht, dass die von D24 und D34 ausgehenden Angriffe nicht aktiv aufrechterhalten wurden.
In T 928/20 stellte die Kammer fest, dass der Beschwerdegegner den Anhang A während des Einspruchsverfahrens innerhalb der nach R. 116 EPÜ festgesetzten Frist in zulässiger Weise eingereicht hatte. Dieses Dokument wurde in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung nicht erörtert und auch in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt. Die Kammer betrachtete es daher als eine Änderung gemäß Art. 12 (2) und (4) VOBK. Es wurde dennoch zugelassen. Siehe auch T 2137/22, wo D1 selbst nach der Aufforderung des Vorsitzenden der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung, die möglichen "Kandidaten" für den nächstliegenden Stand der Technik zu erörtern, vom Einsprechenden nicht angeführt worden war und daher gemäß Art. 12 (6) VOBK nicht zugelassen wurde.