4.4.4 Erfordernis rechtfertigender Gründe seitens der Beteiligten
In T 2688/16 wies die Kammer darauf hin, dass nach Art. 13 (1) VOBK die Angabe von Gründen für die Einreichung erst in dieser Phase des Beschwerdeverfahrens eine elementare Voraussetzung der im Ermessen der Kammer liegenden Berücksichtigung geänderten Beschwerdevorbringens ist. Im vorliegenden Fall zeigte der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichte zweite Versuchsbericht des Patentinhabers eine für die erfinderische Tätigkeit ausschlaggebende synergetische Wirkung. Diese Wirkung wurde von den Einsprechenden bestritten. Ihre erst etwa einen Monat vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Beweismittel (u. a. Versuchsberichte) wurden von der Kammer jedoch nicht zugelassen. Die Kammer stellte fest, dass die Einsprechenden ausreichend Zeit (über 1,5 Jahre) hatten, um geeignete Beweismittel vorzulegen. Ein Gegenbeispiel findet sich in T 23/17, wo das Vorbringen des Einsprechenden, dass die Einreichung neuer Dokumente (die etwa ein Jahr vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden waren) in Reaktion auf die vom Patentinhaber in seiner Beschwerdeerwiderung vorgelegten Versuchsdaten erfolgt war, für plausibel und nachvollziehbar gehalten wurde.
In T 256/17 ließ die Kammer zwei neue, auf mangelnde erfinderische Tätigkeit gegründete Angriffslinien nicht zu, die der Beschwerdeführer (Einsprechende) auf die Erwiderung des Beschwerdegegners hin eingereicht hatte. Beide Linien stützten sich auf im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Unterlagen. Der Beschwerdeführer begründete nicht, warum er diese Einwände erstmals nach Einreichung der Beschwerdebegründung erhob und auch die Kammer konnte keine Gründe dafür erkennen.
In T 1759/17 legte der Beschwerdeführer nicht dar, welchem angeblich neuen Vorbringen des Beschwerdegegners (Patentinhabers) mit den neuen Unterlagen begegnet werden sollte, sodass diese nicht zugelassen wurden.
In T 967/16 stellte die Kammer fest, dass der Einwand, den die Beschwerdegegner (Patentinhaber) ausräumen wollten, bereits in der Einspruchsschrift erhoben worden war. Die Beschwerdegegner hatten keine Gründe dafür angegeben, warum der betreffende Hilfsantrag nicht in früheren Phasen des Verfahrens eingereicht werden konnte.
Ein weiterer Fall, in dem der Beteiligte keine Gründe für die Einreichung neuer Anträge in dieser Phase des Verfahrens angab und die Änderungen nicht zugelassen wurden, ist in T 1005/22 behandelt.
In T 938/14 ließ die Kammer jedoch ausnahmsweise, obwohl für die späte Wiedereinführung keine Begründung angegeben wurde, den Hilfsantrag 2 zu, der in Reaktion auf das Vorbringen des Beschwerdegegners eingereicht wurde und der mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag identisch war, da der Antrag es der Kammer ermöglichte, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen.
Die wichtige Frage, ob ein Vorbringen früher hätte eingereicht werden müssen, wurde von den Kammern bei ihrer Ermessensausübung berücksichtigt; siehe insbesondere Kapitel V.A.4.4.5 a) und V.A.4.4.6 a).