4.4.5 Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK – neue Anträge
In T 2638/16 reichte der Patentinhaber die Beschwerdeerwiderung nach abschlägig beschiedenem Antrag auf Fristverlängerung verspätet ein (kurz nach Ablauf der von Art. 12 (1) c) VOBK vorgegebenen Frist). Bei Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (1) VOBK berücksichtigte die Kammer, dass die Erwiderung unmittelbar nach der Mitteilung über den abschlägig beschiedenen Antrag auf Fristverlängerung einging und damit in einem frühen Stadium des Beschwerdeverfahrens. Sie stellte ferner fest, dass das verspätete Einreichen sie nicht daran gehindert hatte, den kompletten Sachvortrag aller Beteiligten zu berücksichtigen. Auch war für die Kammer weder ein taktischer Verfahrensmissbrauch noch eine Beeinträchtigung der Verfahrensökonomie durch das verspätete Einreichen erkennbar. Die Beschwerdeerwiderung und ein mit dieser Erwiderung eingereichtes Dokument wurden daher nach Art. 13 (1) VOBK berücksichtigt.
Im Ex-parte-Fall T 786/16 wurde der strittige Antrag in einem späten Stadium der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Möglicherweise nicht recherchierte Merkmale wurden aus der Beschreibung zusammen mit Formulierungen hinzugefügt, die in der eingereichten Anmeldung nicht wörtlich offenbart wurden. Das Hinzufügen der nicht recherchierten Merkmale bedeutete ferner, dass der Anspruch nun drei Alternativen beinhaltete, die jeweils gesondert überprüft werden mussten. Die Kammer stellte fest, dass entweder während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eine umfassende Prüfung der neuen Merkmale auf die Einhaltung von Art. 83, 84, 123 (2) EPÜ, Art. 54 und 56 EPÜ hätte durchführt werden müssen oder die Sache zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung hätte zurückverwiesen werden müssen. Nach Ansicht der Kammer hätte keiner dieser Schritte im Einklang mit dem Gebot der Verfahrensökonomie gestanden, vor allem eingedenk des Hauptzwecks von Beschwerdeverfahren (Art. 12 (2) VOBK).
Für weitere Entscheidungen, in denen der Aspekt der Verfahrensökonomie berücksichtigt wurde und in denen die Anträge nicht zugelassen wurden, siehe z. B. T 136/16 und T 2112/16.