4.4.5 Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK – neue Anträge
(i) Anspruchsanträge, die durch spätere Einreichung weiterer Anträge nichtkonvergent werden
In T 2112/16 stellte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) mit der Beschwerdebegründung die Hilfsanträge 1 bis 14 und später, allerdings noch vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die neuen Hilfsanträge 1A und 4. In Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (1) VOBK ließ die Kammer die Hilfsanträge 1A und 4 im Verfahren nicht zu. Bezüglich der Hilfsanträge 2, 3 und 5 bis 14 befand die Kammer, dass die Reihenfolge der Hilfsanträge im Verlauf des Beschwerdeverfahrens aufgrund der Einführung des neuen Hilfsantrags 1A geändert worden war und dass dies eine wesentliche Änderung der Ausrichtung der beanspruchten Erfindung beinhaltete. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die gewählte Reihenfolge der Hilfsanträge zu einer offenkundigen Ausweitung und einem Mangel an Konvergenz in den Anträgen führte. Eine solche Veränderung, nachdem ein Beteiligter sein gesamtes Vorbringen vorgelegt hatte, erfülle nicht das Erfordernis der Verfahrensökonomie nach Art. 13 (1) VOBK. In Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (1) VOBK ließ die Kammer die Hilfsanträge 2, 3 und 5 bis 14 nicht zum Verfahren zu. Siehe auch T 1185/17 derselben Kammer.
Siehe aber auch T 1520/20, in der die Kammer hinsichtlich der Frage, ob überhaupt eine Änderung des Vorbringens vorlag, ihren Fall von T 2112/16 unterschieden hat. Im der Kammer vorliegenden Fall wurden alle Hilfsanträge mit der Beschwerdebegründung eingereicht und der streitige Hilfsantrag 4 lag bereits der erstinstanzlichen Entscheidung zugrunde. Die Kammer stellte klar, dass der Hilfsantrag 4 nicht durch die Einreichung der neuen nach Auffassung der Einsprechenden divergenten Hilfsanträge 1 bis 3 unzulässig wurde.
(ii) Nichtkonvergente Anträge, in Reaktion auf divergierende Einwände
In T 938/20 war der Hauptantrag als Hilfsantrag 105 kurz vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden. Bei der Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (1) VOBK stellte die Kammer fest, dass im vorliegenden Fall, in dem eine extrem große Anzahl von Einwänden unterschiedlicher Art gegen alle vorliegenden Anträge erhoben worden war, eine Konvergenz besonders schwer zu erreichen war und unter den gegebenen Umständen nicht als einziges Kriterium für die Feststellung der Unzulässigkeit dieses Antrags herangezogen werden sollte. Sie wies in diesem Zusammenhang ferner darauf hin, dass bei einer Reihe von Anträgen, die zur Verteidigung gegen einen einzigen Einwand gestellt werden, erwartet werden kannist, dass sie konvergieren, dass es aber die Waffengleichheit untergraben würde, wenn der Einsprechende eine Vielzahl divergierender Einwände erheben könnte, während der Patentinhaber auf eine einzige Verteidigungslinie gegen alle Einwände beschränkt wäre.