4.5.4 Zulassung neuer Anträge
In T 131/18 war der infragestehende Hauptantrag (der nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden war) abgesehen von zwei Änderungen wörtlich und inhaltlich identisch mit einem bereits in Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3. Letzterer erfüllte nach Ansicht der Kammer die Voraussetzungen für eine Zulassung zum Verfahren nach Art. 13 (1) VOBK. Die beiden im Hauptantrag zusätzlich enthaltenen Änderungen dienten der Beseitigung von Unstimmigkeiten, die in Hilfsantrag 3 verblieben waren (als Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ gewerteter Wortlaut in Anspruch 1 gestrichen, aber im abhängigen Anspruch 2 beibehalten; und unklarer Ausdruck in Anspruch 1 ersetzt, nicht aber in Anspruch 6). Die Kammer stimmte mit dem Beschwerdeführer überein, dass es sich nur um redaktionelle Anpassungen handelte, die hauptsächlich durch die Mitteilung der Kammer nach Art. 15 (1) VOBK veranlasst waren, und wertete dies als außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 13 (2) VOBK. Mit Art. 13 (2) VOBK sei nicht beabsichtigt worden, geringfügige Anpassungen wie die Behebung offensichtlicher Unstimmigkeiten oder grammatikalischer Fehler, die z. B. nach R. 139 EPÜ zulässig wären, nach Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich zu verhindern. Siehe auch T 911/20, in der ein sprachlicher Fehler behoben wurde, der erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bemängelt wurde.
Ähnlich ließ die Kammer in T 676/21 einen neuen, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrag 1 zu, in dem ein Tippfehler korrigiert worden war. Der Tippfehler war bereits in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchsfassung enthalten gewesen und verstieß gegen Art. 123 (3) EPÜ. Er war bis zur mündlichen Verhandlung niemandem aufgefallen.
Nicht zugelassen wurde aber in T 1558/22 eine in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Änderung, die über eine Berichtigung offensichtlicher Unstimmigkeiten oder grammatikalischer Fehler hinausging. Die Berichtigung bestand in der Streichung der Verfahrensansprüche 12 und 13, die – so der Patentinhaber – einen offensichtlichen Fehler enthielten, da bestimmte einschränkende Merkmale versehentlich nicht enthalten waren, obwohl dies erkennbar beabsichtigt gewesen sei. Die Kammer konnte jedoch weder einen offensichtlichen Fehler erkennen, noch war aus ihrer Sicht offensichtlich, was ursprünglich beabsichtigt war. Im Rahmen ihrer prozessualen Sorgfaltspflicht oblag es dem Patentinhaber, seine eigenen Anträge vor der mündlichen Verhandlung nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.