2.5. Berücksichtigung der Argumente, Anträge, Beweismittel und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten
2.5.1 Allgemeine Grundsätze
Voraussetzung der Gewährung des rechtlichen Gehörs i. S. von Art. 113 (1) EPÜ ist es, dass den Beteiligten nicht nur die Gelegenheit gegeben wird, sich (zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen und Überlegungen) zu äußern, sondern dass diese Äußerungen auch berücksichtigt, d. h. im Hinblick auf ihre Relevanz für die Entscheidung in der Sache überprüft werden (in Bezug auf Art. 112a EPÜ s. Kapitel V.B.4.3.11 "Würdigung der Argumente der Parteien in der schriftlichen Entscheidung" und in Bezug auf R. 111 (2) EPÜ s. Kapitel III.K.3.4. "Entscheidungsbegründung"). Es ist jedoch nicht notwendig in einer Entscheidung im Detail auf jedes einzelne Argument der Beteiligten einzugehen. Die Kammern können Argumente auch implizit widerlegen und irrelevante Argumente unberücksichtigt lassen (R 5/15). Außerdem wird laut der Großen Beschwerdekammer in R 10/18 davon ausgegangen, dass eine Kammer das Vorbringen eines Beteiligten berücksichtigt hat, auf das sie in der Beschwerdebegründung nicht eingegangen ist. Eine Ausnahme kann vorliegen, wenn es gegenteilige Hinweise gibt, z. B. wenn eine Kammer in ihrer Entscheidungsbegründung auf ein Vorbringen eines Beteiligten, das objektiv gesehen für den Ausgang des Falls entscheidend ist, nicht eingeht oder dieses abweist, ohne es vorher auf Richtigkeit zu überprüfen. Siehe auch T 1550/18, in der die Kammer diese Grundsätze analog auf die erste Instanz anwandte, und Kapitel III.K.3.4.2 "Rechtliches Gehör – Anspruch auf Berücksichtigung von Eingaben".
In R 6/20 date: 2023-07-10 stellte die Große Beschwerdekammer klar, dass das Erfordernis, dass "die Kammer dieses Vorbringen in der Sache berücksichtigt hat" (R 10/18 Orientierungssatz 1, Absatz 2), in dem Sinne zu verstehen ist, dass "die Kammer den Inhalt dieses Vorbringens berücksichtigt hat", wobei diese Berücksichtigung Fragen der Zulassung von Tatsachen, Beweismitteln und Anträgen und/oder bezüglich des materiellen Rechts, d. h. der Begründetheit eines Falles, einschließt. Siehe auch Kapitel III.K.3.4.2 "Rechtliches Gehör – Anspruch auf Berücksichtigung von Eingaben" und V.B.4.3.11 "Würdigung der Argumente der Parteien in der schriftlichen Entscheidung".