2. Zulässige Beweismittel
2.3. Freie Wahl der Beweismittel
In Anwendung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung ist jedes wie auch immer geartete Beweismittel zulässig (siehe T 482/89 und T 558/95). Der Beteiligte ist in der Wahl seiner Beweismittel frei, die in Art. 117 (1) EPÜ aufgeführten Beweismittel sind nur beispielhaft aufgezählt (siehe T 543/95 und T 142/97, ABl. 2000, 358); so greift erneut G 2/21 (ABl. 2023, A85), Nr. 40 der Gründe das Prinzip der Beweiswürdigung auf, darauf folgt der Hinweis auf den Anspruch auf rechtliches Gehör und dass die Entscheidung auf die Tatsachen, Beweismittel und Argumente eingehen sollte, die für die Entscheidung im Einzelnen maßgeblich waren (Nr. 41 der Gründe).
In T 1710/12 befand die Kammer, dass die in Verfahren vor dem EPA zulässigen Beweismittel in Art. 117 (1) EPÜ in keiner Rangfolge aufgeführt sind und es der freien Wahl eines Beteiligten überlassen bleibt, einen Zeugen vernehmen (Art. 117 (1) d) EPÜ) oder eine schriftliche Erklärung unter Eid abgeben zu lassen (Art. 117 (1) g) EPÜ). Vergleiche T 918/11, T 2565/11 und T 441/04 (worin es allerdings zuvor heißt, dass die Beweisführung durch Vorlage von Dokumenten im Vergleich zu Zeugenaussagen über lange zurückliegende Vorgänge in der Regel vorzugswürdiger sein dürfte).
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers (Patentinhabers) stellte die Kammer in T 1138/20 fest, dass der Beweismaßstab des zweifelfreien Nachweises ("mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit") oder auch jeder andere Beweismaßstab keineswegs notwendigerweise von den Beteiligten fordert, sämtliche zu ihrer Verfügung stehenden Unterlagen einzureichen; er fordere nicht einmal zwangsläufig, dass überhaupt Unterlagen als Beweismittel vorgelegt werden. Demnach liegt es im Ermessen der Beteiligten, welche Beweismittel sie anführen möchten. Dass zu einer spezifischen Sachstandsbehauptung keine schriftlichen Beweismittel vorliegen, belegt als solches noch keinen Fehler in der Tatsachenfeststellung. Vielmehr muss der Beschwerdeführer beispielsweise nachweisen, dass kein eingereichtes Beweismittel die Tatsachenfeststellung der Einspruchsabteilung bestätigt (Nrn. 1.3.4 a), b) der Gründe).
In T 329/02 sah es die Kammer nicht als korrekte Verfahrensweise an, dass die Einspruchsabteilung in einer streitigen und für den Rechtsbestand des angegriffenen Patents hochrelevanten Frage auf das Beweisangebot einer mündlichen Vernehmung eines Zeugen nicht eingegangen war, sondern – gleichsam als Ersatz – schriftliche Erklärungen einfordert hatte.
S. auch Kapitel III.G.3.3 "Rechtliches Gehör".