4.3.5 Unvollständiges Vorbringen in Beschwerdebegründung oder Erwiderung – Substantiierungserfordernis – Artikel 12 (3) und (5) VOBK
(i) Erforderliches Maß an Substantiierung
In T 1128/21 erläuterte die Kammer, dass das erforderliche Maß an Substantiierung gemäß Art. 12 (3) VOBK von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhänge. In der Regel habe ein Patentinhaber, der einen Antrag mit Änderungen einreicht, ausdrücklich und im Einzelnen mitzuteilen, (i) wo in der ursprünglich eingereichten Anmeldung für jede der in den Ansprüchen vorgenommene Änderung die Grundlage zu finden ist, (ii) welche Einwände ausgeräumt werden sollen und (iii) warum die jeweilige Änderung geeignet sein soll, die erhobenen Einwände auszuräumen. Diese Anforderungen würden in der ständigen Rechtsprechung sowohl für Art. 12 (3) VOBK als auch für Art. 12 (2) VOBK 2007 zugrunde gelegt (mit Verweis auf T 319/18 und RBK, 10. Aufl. 2022, V.A.5.12.6). Ebenso T 1221/21, T 731/22 (s. die Zusammenfassung in diesem Kapitel V.A.4.3.5 b) (ii)).
In T 1220/21 ergänzte die Kammer, dass ein Patentinhaber, der einen Antrag zur Entkräftung des Einwands mangelnder Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit einreicht, die relevanten Dokumente und die Merkmale angeben sollte, durch die sich der Erfindungsgegenstand davon unterscheidet (s. T 1659/20). Zudem hängen nach Auffassung der Kammer der konkrete Umfang und die Detailliertheit der erforderlichen Erläuterungen davon ab, wie detailliert und genau die auszuräumenden Einwände sind.
In mehreren Entscheidungen betonten die Kammern die Notwendigkeit der Auseinandersetzung des Beschwerdeführers (Patentinhabers) mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung (z. B. T 559/20, T 430/20).
Pauschale Begründungen können dem völligen Fehlen einer Begründung gleichkommen. In T 559/20 z. B. befand die Kammer, dass die pauschale Begründung, die Hilfsanträge seien eingeschränkter und daher aus demselben Grund wie der Hauptantrag neu und erfinderisch, ersichtlich nicht geeignet sei, die Gewährbarkeit der Hilfsanträge für den Fall zu begründen, dass die Kammer den Hauptantrag für nicht gewährbar hält. Siehe auch T 437/20, T 309/21, T 2013/21.
Auch in der Sache T 203/20 hatte der Beschwerdeführer (Patentinhaber) mit seiner Beschwerdebegründung einen Hilfsantrag eingereicht (Hilfsantrag 9), aber keine Begründung geliefert, warum die darin enthaltenen Änderungen die gegen höherrangige Anträge erhobene Einwände ausräumten.
Die Kammer in T 2202/21 erklärte, dass die bloße Angabe der zusätzlichen Unterschiede gegenüber dem Stand der Technik nicht ausreicht, sondern der Patentinhaber (Beschwerdeführer oder -gegner) erläutern muss, warum diese Unterschiede erfinderisch sind. Siehe auch T 2532/17 (in Anwendung des Art. 12 (2) VOBK 2007).
In T 1220/21 betonte die Kammer, dass nur in den beigefügten Dokumenten zu findende Angaben, sofern der Beteiligte nicht ausdrücklich darauf Bezug nimmt und darauf eingeht, nicht als eine ausreichende Substantiierung nach Art. 12 (3) VOBK gelten können.
Ähnlich strenge Anforderungen an die Substantiierung wurden auch in Fällen gestellt, in denen die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen hatte:
In T 1128/21 verwies die Kammer zur Begründung auf die Bestimmung von Art. 12 (3) VOBK, wonach jeder Beteiligte deutlich und knapp begründen muss, warum die Aufhebung, Aufrechterhaltung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird, wobei alle geltend gemachten Argumente ausdrücklich anzugeben sind.
In T 904/21 ließ die Kammer den Hilfsantrag 4 nicht zu (der vom Beschwerdegegner – Patentinhaber – zusammen mit seiner Beschwerdeerwiderung eingereicht worden war und einem im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsantrag entsprach), weil der Beschwerdegegner in seinen Eingaben nicht dargelegt hatte, wie die zusätzlichen Merkmale den Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ausräumen könnten, den der Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung erhoben hatte. Siehe auch T 1959/19 (zusammengefasst im nachstehenden Abschnitt (ii)), T 262/20, T 437/20, T 2202/21 und T 312/22.
Die Kammer in T 1220/21 betonte, dass die Pflicht, eine Grundlage für die Änderungen anzugeben, nicht davon abhängt, ob vorher die Zulässigkeit des Antrags nach Art. 123 (2) EPÜ infrage gestellt wurde.
In mehreren Entscheidungen gingen die Kammern davon aus, es liege keine fehlende Substaniierung vor, wenn die Einreichung keiner Erklärung bedürfe, weil die Änderungen selbsterklärend seien (z. B. T 731/22, T 2964/18). Anders aber T 1220/21. Siehe unten Abschnitt (ii).
Pauschale Verweise des Beschwerdeführers oder Beschwerdegegners auf sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren genügen nicht dem Erfordernis des Art. 12 (3) VOBK (s. unten Kapitel V.A.4.3.5 b) (iii) und Kapitel V.A.2.6.5).
(ii) Selbsterklärende Änderungen
In T 731/22 bestätigte die Kammer zunächst, dass ein Patentinhaber, der einen Antrag mit Änderungen einreicht, in der Regel ausdrücklich und im Einzelnen mitzuteilen hat, wo in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung für jede der in den Ansprüchen vorgenommenen Änderung die Grundlage zu finden ist, welche Einwände ausgeräumt werden sollen und warum die jeweilige Änderung dazu geeignet sein soll. Der notwendige Umfang und die Detailliertheit der Erläuterungen ließen sich allerdings nicht absolut bestimmen, sondern hingen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Auch liege keine fehlende Substantiierung vor, wenn die Einreichung keiner Erklärung bedürfe, weil die Änderungen selbsterklärend seien (mit Verweis auf RBK, 10. Aufl. 2022, V.A.5.12.6). Dies bejahte die Kammer für den vorliegenden Fall, da nur ein Neuheitseinwand geltend gemacht worden war und die strukturelle Einschränkung selbsterklärend einen Versuch darstellte, Neuheit gegenüber dem betreffenden Dokument wieder herzustellen.
Auch die Kammer in T 2964/18 erachtete die Kammer die Streichung von Anspruch 1 des vierten Hilfsantrags insofern für selbsterklärend, als sie und der andere Beteiligte nachvollziehen konnten, welche der noch offenen Enwände damit ausgeräumt werden sollten.
In T 1959/19 dagegen wies die Kammer das Argument des Beschwerdegegners zurück, wonach sich schon aus dem Wortlaut der (bereits im Einspruchsverfahren eingereichten) Hilfsanträge I bis XVII ergebe, weshalb diese den Erfordernissen des EPÜ genügten, nämlich allein schon daraus, dass diese Anträge weiter gegenüber dem Stand der Technik abgegrenzt seien als die erteilte Fassung. Nach Auffassung der Kammer ließ sich nicht ohne Weiteres erkennen, gegenüber welchem Stand der Technik eine Abgrenzung erfolgte. Die verspätete Substantiierung ließ die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (2) VOBK nicht zu. Auch die Kammern in T 319/18 und T 1128/21 befanden, dass der Zweck der jeweiligen Änderungen im Hinblick auf die Behebung der bestehenden Einwände nicht selbsterklärend war. Siehe auch T 262/20
Einen anderen Ansatz in Bezug auf selbsterklärende Anträge verfolgte die Kammer in T 1220/21. Sie erklärte, dass ein geänderter Antrag, der selbsterklärend ist, dennoch nicht dem Maßstab des Art. 12 (3) VOBK genüge, denn ein implizites Vorbringen erfülle eben nicht das Erfordernis, wonach der Beteiligte die angezogenen Argumente explizit angeben muss (mit Verweis auf T 2598/12).
(iii) Bezugnahme auf im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Anträge oder stützende Argumente
Ein pauschaler Verweis des Beschwerdeführers auf Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren genügt nicht, um festzustellen, warum die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden sollte. Ein solches Vorgehen widerspricht dem Beschwerdeverfahren, in dem der Beschwerdeführer nach Art. 108 und R. 99 (2) EPÜ sowie Art. 12 (3) VOBK die Obliegenheit hat, mit seiner Beschwerdebegründung einen vollständigen Sachvortrag zu präsentieren, der es der Beschwerdekammer und den übrigen Beteiligten ermöglicht, ohne weitere Nachforschungen zu verstehen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden soll (T 706/17; ausführlich erläutert auch in T 2117/18 in Bezug auf den nur geringfügig geänderten Art. 12 (2) VOBK 2007). Siehe auch T 2457/16 (pauschaler Verweis auf im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte Anträge ohne genauere Angaben, womit es dem Einsprechenden und der Kammer überlassen wurde, einen möglicherweise zulässigen Antrag auszuwählen).
Auch in T 1041/21 sah die Kammer pauschale Verweise des Beschwerdegegners (Patentinhabers), der im erstinstanzlichen Verfahren obsiegt hatte, auf seinen damaligen Vortrag als unvereinbar mit dem Erfordernis des Art. 12 (3) VOBK an. Durch die Bezugnahme auf oder die bloße Wiederholung von im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumenten ist weder für die Kammer noch für die andere Partei sofort ersichtlich, welche Einwände, die der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde gegen den Hauptantrag erhoben hatte, durch die in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen ausgeräumt wurden, in welchem Maße und warum.
Dieser Ansatz wurde in T 503/20 bestätigt, in der sich die Kammer auf den Wortlaut des Art. 12 (3) und (5) VOBK sowie die Erläuterungen zu Art. 12 (5) VOBK (Zusatzpublikation 2, ABl. 2020, S. 30) berief, wonach ein Beteiligter "ausdrücklich" alle Anträge, Tatsachen usw., auf die Bezug genommen wird, "im Einzelnen anführen" muss.
Siehe aber auch T 108/20, in der die Kammer die Auffassung vertrat, dass bei Verweisen auf unerwidertes Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren ein pauschaler Verweis darauf ausreicht, um dieses zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens zu machen.
(iv) Fehlende Ausformulierung der Ansprüche
In T 1421/20 wurden die Anträge 1a bis 5a in der Beschwerdebegründung eingeführt und kommentiert, Ansprüche wurden zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht eingereicht. Daher erfüllten sie nicht die Erfordernisse von Art. 12 (3) VOBK, und es stand im Ermessen der Kammer, sie allein aus diesem Grund nicht zum Verfahren zuzulassen (Art. 12 (5) VOBK). Da die Anträge nicht Teil der angefochtenen Entscheidung waren, galten sie ferner als Änderungen (Art. 12 (2) und (4) VOBK).
(v) Wirksamkeit der Einreichungnicht substantiierter Anträge
Die Kammern beurteilen die Frage unterschiedlich, ob ein nicht substantiierter Antrag erst zu dem Zeitpunkt als wirksam eingereicht gilt, zu dem eine ausreichende Substantiierung erfolgt (s. z. B. T 319/18, T 1191/18 und T 2117/18), oder ob der nicht substantiierte Antrag lediglich nach Art. 12 (5) VOBK nicht zuzulassen ist (s. z. B. T 2457/16, T 1128/21, T 1220/21) sowie die später eingereichte Substantiierung nach Art. 13 (1) oder (2) VOBK. Für weitere Einzelheiten, siehe Kapitel V.A.4.2.3 h). Zur Rechtsprechung nach der VOBK 2007 siehe RBK, 10. Aufl. 2022, V.A.5.12.6 "Nicht substantiierte Anträge".
In T 321/21 ging die Kammer die beiden Ansätze für die Behandlung nicht substantiierter Anträge und Einwände ein und betonte, dass ein wesentlicher Unterschied offenbar darin besteht, ob eine Kammer eine formelle Entscheidung über die Zulassung eines aus ihrer Sicht nicht substantiierten Antrags oder Einspruchs treffen muss oder nicht.
- T 2271/22
Dans l'affaire T 2271/22 la division d’opposition a rejeté l'opposition conformément aux dispositions de l'art. 101(2) CBE. La requérante a demandé l'annulation de la décision de rejet de l'opposition et la révocation du brevet dans son ensemble.
Dans sa réponse au mémoire exposant les motifs du recours, l’intimée a déclaré qu'elle maintenait "toutes les requêtes déposées en 1ere [sic] instance". Ce n’était qu’en réponse à la notification selon l’art. 15(1) RPCR que l’intimée a précisé qu’il s’agissait bien de la première requête subsidiaire déposée le 2 juin 2021 et de la deuxième requête subsidiaire déposée le 28 mars 2022.
La chambre a relevé que, dans sa réponse aux motifs du recours, l'intimée n'avait donné aucun argument pour soutenir la recevabilité et le fondement de ces requêtes subsidiaires au cas où la chambre partagerait le point de vue de la requérante en ce qui concerne les revendications telles que délivrées. En particulier, l'intimée était restée silencieuse sur la question d'une activité inventive basée sur les caractéristiques techniques ajoutées. La chambre a aussi noté que la requérante avait attaqué ces requêtes subsidiaires dans son mémoire de recours..
La chambre n’a pas accepté l’argument de l’intimée que, la décision attaquée ayant maintenu le brevet conformément à la requête principale, l’art. 12(3) RPCR, selon lequel le mémoire et la réponse doivent présenter de façon claire et concise les motifs pour lesquels il est demandé d'annuler, de modifier ou de confirmer la décision attaquée, ne s’appliquerait pas aux requêtes subsidiaires dans l’espèce. La chambre a clarifié que, si l'intimée demande de manière subsidiaire le maintien du brevet conformément à une requête subsidiaire, elle doit présenter dans sa réponse au mémoire de recours les motifs pour lesquels il est demandé de modifier ou de confirmer la décision attaquée et d'exposer expressément et de façon précise l'ensemble des requêtes, faits, arguments et preuves invoqués, même si cette requête subsidiaire avait déjà été déposée pendant la procédure d'opposition et jamais traitée par la division d'opposition. Par conséquent, les exigences de l'art. 12(3) RPCR n’étaient clairement pas remplies en ce qui concerne ces requêtes subsidiaires.
La présentation d’arguments quelques jours avant la procédure orale prévue ne pouvait, en l’absence de circonstances exceptionnelles, remplacer l’exposé exigé par l’art. 12(3) RPCR.
En conclusion, la chambre a considéré que les deux requêtes subsidiaires n'étaient pas motivées et, par conséquent, n'étaient pas recevables dans la procédure de recours (art. 12(3) et (5) RPCR).