4.4.6 Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK – neue Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel
In T 1684/17 ließ die Kammer einen neuen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht zu, der auf ein neu eingereichtes Dokument gegründet war, welches dem Beschwerdeführer (nach seinen Angaben) erst in einem parallelen Beschwerdeverfahren zur Kenntnis gelangt war. Der Einwand betraf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung und hätte nach Ansicht der Kammer, vom Einsprechenden bereits im Laufe des Einspruchsverfahrens erhoben werden müssen. Das Vorgehen der Einsprechenden widerspreche dem für alle Verfahrensbeteiligten geltenden Grundsatz der Verfahrensökonomie und widerspreche damit auch dem in Art. 12 (6) Satz 2 VOBK festgelegten Grundsatz. Die vom Beschwerdeführer behauptete prima facie Relevanz sei kein entscheidendes Kriterium, das bei der Anwendung von Art. 13 (1) VOBK zu berücksichtigen sei. Zu letzterem Punkt siehe aber auch Kapitel V.A.4.4.6 c).
Auch in den Entscheidungen T 140/15, T 2227/15, T 154/16, T 1117/16, T 1217/17 und T 552/18 kamen die Kammern in Ausübung ihres Ermessens nach Art. 13 (1) VOBK zu dem Schluss, dass eine Zulassung des verspäteten Vorbringens (unter anderem) dem Gebot der Verfahrensökonomie widerspräche und ließen dieses nicht zum Verfahren zu.
In T 553/22 hingegen ließ die Kammer die Beschwerdeerwiderung des Einsprechenden, die sechs Minuten nach Ablauf der Frist gemäß Art. 12 (1) c) VOBK eingegangen war, zum Verfahren zu, weil sie die Kammer nicht daran hinderte, das vollständige Vorbringen aller Beteiligten zu prüfen, weil sie kein taktischer Verfahrensmissbrauch zu sein schien und weil sie auch nicht der Verfahrensökonomie widersprach.