10.8. Unerwarteter Bonuseffekt
10.8.1 Allgemeines
Ein als überraschend zu beurteilender Effekt kann als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden (T 181/82, ABl. 1984, 401). Dazu müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen vorliegen.
Ein Anspruch – auch wenn eine (möglicherweise unvorhergesehene) zusätzliche Wirkung erzielt wird – weist keine erfinderische Tätigkeit auf, wenn es aufgrund des Stands der Technik für die Fachperson naheliegend ist, zu einer anspruchsgemäßen Lösung zu gelangen, weil aus der Kombination der Lehren der bekannten Schriftstücke eine vorteilhafte Wirkung zu erwarten ist (T 21/81, ABl. 1983, 15; s. auch T 365/86, T 350/87, T 226/88, T 1317/13, T 696/19, T 1491/20). Auch wenn der Stand der Technik die Fachperson aufgrund eines wesentlichen Teils der bestehenden technischen Aufgabe zu einer bestimmten Lösung zwingt, so wird diese nicht zwangsläufig dadurch erfinderisch, dass damit gleichzeitig eine Teilaufgabe überraschend mitgelöst wird (T 69/83, ABl. 1984, 357; s. auch T 231/97).
Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Verbesserung keine Voraussetzung für eine erfinderische Tätigkeit (s. auch dieses Kapitel I.D.4.5 "Alternative Lösung einer bekannten Aufgabe"). Auch die Erzielung eines überraschenden Effekts ist keine Voraussetzung für das Vorhandensein von erfinderischer Tätigkeit. Es kommt lediglich darauf an, dass sich der beanspruchte Gegenstand für die Fachperson nicht in naheliegender Weise aus dem verfügbaren Stand der Technik herleiten lässt (T 154/87; s. auch T 426/92, T 164/94, T 960/95, T 524/97, T 888/08).
Damit eine zusätzliche, unerwartete Wirkung nicht als bloßer Bonuseffekt angesehen wird, ist entweder nachzuweisen, dass der Sachverhalt durch einen Mangel an Alternativen hinsichtlich der Mittel zur Erreichung der ersten, erwarteten Verbesserung gekennzeichnet ist (die in T 192/82 erläuterte "Einbahnstraßen-Situation"), oder dass die zusätzliche unerwartete Wirkung unter Berücksichtigung der relativen technischen und praktischen Bedeutung der Wirkungen unter den gegebenen Umständen lediglich zufällig ist (im Anschluss an T 227/89). Siehe T 1356/21.