2.7.2 Berücksichtigung nationalen Rechts
Hinsichtlich der Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts merkte die Kammer in T 1201/14 an, dass die mit dem Verfahren befassten Dienststellen des EPA mangels diesbezüglicher Hinweise oder Kollisionsregeln im EPÜ regelmäßig nationales Recht heranziehen. Die Kammer erkannte auch an, dass es keine ständige Rechtsprechung der Kammern dazu gibt, welches nationale Recht grundsätzlich auf diese Frage anzuwenden ist. Wie die Kammer in T 205/14 erklärte, scheint die Bestimmung des anwendbaren nationalen Rechts in manchen Fällen angesichts der jeweiligen Umstände eindeutig gewesen zu sein. In J 19/87 bezogen sich alle für die Übertragung des Prioritätsrechts relevanten Umstände (Wohnsitz, Unternehmenssitz, Staat der Ersteinreichung, Übertragungsverträge) auf britisches Recht, welches die Kammer dann auch auf die Frage der Prioritätsberechtigung anwandte. Auch im Fall T 1008/96 waren alle für die Übertragung des Prioritätsrechts relevanten Umstände mit Italien und demnach mit italienischem Recht verbunden. Siehe auch T 493/06 und T 725/14.
In der Sache T 160/13, in der es um eine unternehmensinterne Übertragung ging, wurde das Streitpatent als internationale Anmeldung durch ein Tochterunternehmen mit Sitz in Frankreich eingereicht. Beansprucht wurde die Priorität einer deutschen Gebrauchsmusteranmeldung, die von einem Tochterunternehmen mit Sitz in Deutschland eingereicht worden war. Hier waren Unternehmenssitz des Übertragenden, der Staat der Einreichung der Erstanmeldung sowie die Übertragungserklärung durch den Übertragenden (von einem Beschäftigten des deutschen Tochterunternehmens versandte E-Mails) mit dem deutschen Hoheitsgebiet verbundene Tatsachenelemente. Nur der Unternehmenssitz des Übertragungsempfängers deutete auf die Anwendung eines anderen als des deutschen Rechts hin. Die Kammer bestätigte, dass die Einspruchsabteilung die Übertragung des Prioritätsrechts zutreffend anhand deutschen Rechts geprüft hatte.
In T 205/14 zog die Kammer sowohl das auf die Rechtsbeziehung zwischen Übertragendem und Übertragungsempfänger des Prioritätsrechts anwendbare Recht in Betracht als auch das Recht des Staats der Einreichung der Erstanmeldung und kam zu der Auffassung, dass Ersteres – hier das Recht des Staats des Beschäftigungsverhältnisses zwischen den Anmeldern (Erfindern) der vorläufigen US-Anmeldungen, deren Priorität beansprucht wurde, und dem Patentinhaber (hier israelisches Recht) – auf die Übertragung anzuwenden sei. Siehe auch T 517/14.
In mehreren Fällen mussten die Beschwerdekammern nicht entscheiden, welches nationale Recht anwendbar war, da die Rechtsnachfolge nach Art. 87 (1) EPÜ für ein und denselben Sachverhalt nach unterschiedlichen nationalen Rechtsvorschriften mit demselben Ergebnis beurteilt wurde. Siehe beispielsweise T 577/11, wo die Kammer feststellte, dass keines der auf der Anwendbarkeit des italienischen und niederländischen Rechts beruhenden Argumente des Beschwerdeführers zu einer Entscheidung im Sinne des Anmelders führen würde. Siehe auch T 1201/14.