2.7.2 Berücksichtigung nationalen Rechts
Der Kammer in T 577/11 zufolge ist die vertragliche Vereinbarung zwischen dem Anmelder der Prioritätsanmeldung und dem Anmelder der Nachanmeldung, wonach (nur) das wirtschaftliche Eigentum ("economische eigendom" nach niederländischem Recht) an der Prioritätsanmeldung und dem Recht auf Inanspruchnahme ihrer Priorität auf den Nachanmelder übertragen wird, nicht ausreichend, um Letzteren als Rechtsnachfolger im Sinne des Art. 87 (1) EPÜ 1973 betrachten zu können. Die Kammer erkannte die Rückwirkung des Übergangs des "wirtschaftlichen Eigentums" an, aber nicht die des Rechtstitels. Sie kam zu dem Schluss, dass zum Zeitpunkt der Einreichung der Nachanmeldung nur eine beschränkte Übertragung erfolgt sei, die den Erfordernissen von Art. 87 (1) EPÜ 1973 nicht genüge. Auch unterscheide sich dieser Fall von dem in J 19/87 behandelten Fall der "der Billigkeit entsprechenden" Abtretung ("equitable assignment") nach englischem Recht.
In T 160/13 bestätigte die Kammer, dass die Einspruchsabteilung die Übertragung des Prioritätsrechts zutreffend anhand deutschen Rechts geprüft hatte, das eine zweiseitige Abtretungserklärung beider Anmelder fordert (§§ 398 und 413 i. V. m. §§ 145 ff. BGB). Nach deutschem Recht unterliegen solche Erklärungen keinen besonderen Formvorschriften. Es ergäben sich auch keine weitergehenden Anforderungen formeller Art aus den vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidungen T 1056/01 und T 62/05. Durch die vorgelegte Korrespondenz war die Übertragung nach Ansicht der Kammer hinreichend erwiesen.
In T 205/14 war die Kammer aufgrund der ihr vorliegenden Beweismittel davon überzeugt, dass israelisches Recht keine von beiden Parteien unterzeichnete schriftliche Übertragung verlangt und dass das Prioritätsrecht vor dem internationalen Anmeldetag des streitigen Patents auf den Patentinhaber übertragen worden war. Siehe auch T 517/14.
In T 725/14 handelte es sich bei A um den Anmelder sowohl der Anmeldung, deren Priorität beansprucht wurde, als auch der Stammanmeldung des Streitpatents. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) behauptete jedoch, das Prioritätsrecht sei mit einer Übertragungserklärung vom 1. März 2007 (D17), d. h. einige Tage vor Einreichung der Stammanmeldung, von A an F (Patentinhaber/Beschwerdegegner) übertragen worden. Der Beschwerdegegner hielt dem entgegen, die Übertragung werde erst an dem Tag wirksam, an dem beim EPA ein Antrag auf Eintragung eines Rechtsübergangs gemäß R. 22 EPÜ gestellt werde (ähnlich s. auch T 404/13), was die Kammer jedoch verneinte. Ihr zufolge muss die Übertragung des Prioritätsrechts anhand des nationalen Rechts beurteilt werden (s. z. B. T 205/14, T 1201/14). Die Kammer sah keine Veranlassung, von der zwischen den Beteiligten unstrittigen Position abzuweichen, dass niederländisches Recht galt. Unter Verweis auf ein Rechtsgutachten, das der Beschwerdeführer zur Erläuterung der Erfordernisse für die Übertragung eines Prioritätsrechts nach dem niederländischen Zivilgesetzbuch eingereicht hatte, kam die Kammer zu dem Schluss, dass D17 ausreichte, um das Prioritätsrecht nach niederländischem Recht zu übertragen. Der Prioritätsanspruch war somit ungültig. Siehe auch den parallelen Fall T 924/15.
Siehe auch T 1201/14 in Kapitel II.D.2.7.4 zur "nunc pro tunc"-Übertragung nach US-Recht sowie Kapitel II.D.2.3.