1. Zulässigkeit des Beitritts
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1. Zulässigkeit des Beitritts
Nach Art. 105 EPÜ kann jeder Dritte dem Einspruchsverfahren beitreten, wenn er nachweist, dass gegen ihn Klage wegen Verletzung dieses Patents erhoben worden ist oder er nach einer Aufforderung des Patentinhabers, eine angebliche Patentverletzung zu unterlassen, gegen diesen Klage auf Feststellung erhoben hat, dass er das Patent nicht verletze. Ein zulässiger Beitritt wird nach Art. 105 (2) EPÜ als Einspruch behandelt.
- T 2328/22
In T 2328/22 bestätigte die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass sich der Umfang des Beitritts der Einsprechenden 2 (Beschwerdeführerin) auf Einwände gegen die Anpassung der Beschreibung beschränkt (res judicata, Art. 111 (2) EPÜ). Mit der Entscheidung T 2538/16 vom 18. Februar 2020 hatte die Beschwerdekammer die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. Während der Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zur Anpassung der Beschreibung ist am 21. Dezember 2020 die Einsprechende 2 als vermeintliche Patentverletzerin beigetreten.
Punkt 50 der angefochtenen Entscheidung betonte zu Recht, dass ein Beitritt kein Rechtsmittel sei, mit dem sich eine im Einspruchsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung anfechten ließe. Ein Betritt eröffnet auch keinen neuen Verfahrensabschnitt, der die verbindlichen Ergebnisse des bisherigen Verfahrens außer Kraft setzen könnte. Ein Beitritt zu einem laufenden Verfahren kann nur in den Grenzen möglich sein, in denen das Verfahren noch zur Entscheidung offen ist. Der Beitretende muss das Verfahren so übernehmen, wie es steht. Etwaige ergangene Entscheidungen binden ihn daher nicht etwa wegen einer direkt ihm gegenüber eingetretenen res judicata Wirkung, sondern wegen der Akzessorietät des Beitritts zu einem Verfahren mit nur noch beschränktem Streitgegenstand.
Die Beschwerdeführerin berief sich auf die G 1/94 (Nr. 13 der Gründe), und die T 167/93. Die Kammer war davon nicht überzeugt, und befand, dass diese Entscheidungen im vorliegenden Fall nicht anwendbar sind. Stattdessen folgte die Kammer der T 694/01, in der es um eine ähnliche Situation ging wie im vorliegenden Fall.
Die Entscheidung T 694/01 legt überzeugend dar, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Entscheidungsgrund 13 der G 1/94 ausdrücklich auch Konstellationen wie die vorliegende regeln wollte, in der bereits eine abschließende Entscheidung über die Patentfähigkeit eines bestimmten Anspruchswortlauts getroffen worden war bzw. dass die Große Beschwerdekammer mit ihrer Erwägung so fundamentale Verfahrensgrundsätze wie die formelle und materielle Rechtskraft einer Entscheidung außer Kraft setzen wollte, ohne dass dies im EPÜ ausdrücklich vorgesehen wäre. Art. 105 (1) EPÜ schließt aus, dass mit dem Beitritt ein gänzlich neues Verfahren oder ein eigenständiger Verfahrensabschnitt in Gang gesetzt werden kann, und erlaubt nicht mehr als den Beitritt zu einem anhängigen Einspruchsverfahren. Diese Auslegung von Art. 105 EPÜ entspricht auch der in G 4/91 (Nr. 7 der Gründe) getroffenen Feststellung, dass ein Beitritt gegenstandslos ist, wenn er nach Erlass der Entscheidung der Einspruchsabteilung erfolgt und die zuvor Beteiligten keine zulässige Beschwerde einlegen.
Zusammenfassend war aus Sicht der Kammer daher kein Grund ersichtlich von den überzeugenden Ausführungen in der T 694/01 abzuweichen, dass ein Beitretender einem fremden Verfahren beitritt und infolgedessen das Verfahren in der Lage annehmen muss, in der es sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet.
Der Beitritt der Einsprechenden 2 hängt vom rechtlichen Umfang der Anhängigkeit des Einspruchsverfahrens ab. Da im vorliegenden Fall das Einspruchsverfahren nur noch bezüglich der Anpassung der Beschreibung anhängig ist, kann die Beitretende nicht mehr dem verfahrensrechtlich abgeschlossenen Teil des Einspruchsverfahrens beitreten, der die Gültigkeit des Wortlauts der Patentansprüche betraf. Da darüber abschließend entschieden wurde, ist die Frage, ob die Einsprechende 2 ihre Einwände auf einen bekannten oder einen neuen Sachverhalt stützt, irrelevant.
Zu den Vorlagefragen nach Art. 112 (1) EPÜ stellte die Kammer fest, dass in T 694/01, einem weitgehend ähnlichen Fall, eine klare und überzeugende Entscheidung getroffen wurde, der sich die Kammer anschloss. Eine Vorlage an die Große Beschwerdekammer war daher nicht erforderlich.