1. Zulässigkeit des Beitritts
1.5. Fristen für den Beitritt
Gemäß R. 89 EPÜ (früher in Art. 105 EPÜ 1973 geregelt) ist der Beitritt erst nach Ablauf der Einspruchsfrist möglich. Er ist jedoch innerhalb von drei Monaten nach dem Tag zu erklären, an dem eine der in Art. 105 EPÜ genannten Klagen erhoben worden ist.
Stehen mehrere Klagen im Raum, so ist Ausgangspunkt für die Berechnung der Dreimonatsfrist für den Beitritt stets der Zeitpunkt der Erhebung der ersten Klage (T 296/93, T 1143/00).
Die beiden Zeitpunkte, die nach Art. 105 (1) EPÜ 1973 als Beginn für die Berechnung der dreimonatigen Beitrittsfrist in Frage kommen, schließen sich gegenseitig aus (T 296/93, ABl. 1995, 627; s. auch T 144/95 und T 18/98). Art. 105 EPÜ 1973 verleiht einem Einsprechenden, der es versäumt hat, eine Beschwerde fristgerecht einzureichen, keine zweite Chance, da der Einsprechende nicht die Voraussetzung erfüllt, ein Dritter zu sein (T 1038/00).
In T 694/01 stellte die Kammer fest, dass Art. 105 (1) Satz 1 EPÜ 1973 nicht definiert, wann ein Verletzungsverfahren als eingeleitet gilt. Da nur vor einem nationalen Gericht Klage erhoben werden kann, ist dieser Tag gemäß dem Wortlaut von Art. 105 EPÜ – wenn auch nicht ausdrücklich – anhand des einschlägigen nationalen Verfahrensrechts zu bestimmen.
In T 452/05 zog die Kammer drei Zeitpunkte in Betracht, an denen die Dreimonatsfrist möglicherweise zu laufen begonnen hatte: der Tag, an dem die einstweilige Verfügung beantragt wurde, der Tag, an dem diesem Antrag stattgegeben wurde, und der Tag, an dem die einstweilige Verfügung dem Einsprechenden zugestellt wurde. Nach Auffassung der Kammer war nur das letzte Datum als maßgeblich anzusehen, da der Einsprechende erst von diesem Tag an einen Nachweis über das Verfahren erbringen konnte, der ihn zum Beitritt berechtigte.
In T 691/16 bestritt der Beschwerdeführer (Patentinhaber), dass die in Art. 105 EPÜ, R. 89 EPÜ genannte Dreimonatsfrist eingehalten worden sei, da auf dem Rückschein über die Zustellung der Klage das Datum nicht eindeutig erkennbar war. Auch sei die Unterschrift auf dem Zustellungsbescheid nicht mit der des Beitretenden identisch. Die Kammer entschied, dass der Beitritt form- und fristgerecht erklärt worden ist. Der Rückschein dient gerade dem Nachweis über die Zustellung, und sowohl Stempeldatum als auch handschriftliches Datum wiesen, soweit leserlich, das relevante Datum aus. Insoweit bestand jedenfalls ein Anscheinsbeweis, gegen den der Patentinhaber auch keine substantiierten Zweifel geltend gemacht hat. Im Übrigen drückt R. 126 (2) EPÜ letzter Halbsatz EPÜ einen allgemeinen Grundsatz aus, wonach nicht der Empfänger, sondern der Absender eines Schriftstückes im Zweifel zu beweisen hat, dass und wann dieses den Empfänger erreicht hat. Zweifel, die sich unter anderem aus Unleserlichkeiten ergeben, gehen daher nicht zu Lasten des Empfängers. Bezüglich der Abweichungen der Unterschrift merkte die Kammer an, dass die Zustellung nicht notwendigerweise an den Empfänger selbst, sondern auch an im Haus lebende oder sonst bevollmächtigte Personen erfolgen kann. Das ist bei Unternehmen die Regel. Auch insoweit bestehen keine vernünftigen Zweifel an dem vom Beitretenden behaupteten Empfang der Klageschrift am relevanten Datum. Zu beachten ist allerdings, dass R. 126 (2) EPÜ geändert worden ist (s. Mitteilung des EPA vom 25. November 2022 über rechtliche Änderungen zur Unterstützung der digitalen Transformation im Patenterteilungsverfahren, ABl. 2022, A114 und Mitteilung des EPA vom 6. März 2023 über die geänderten Regeln 126, 127 und 131 EPÜ, ABl. 2023, A29) sowie Kapitel III.D.1.
In T 308/23 erinnerte die Kammer daran, dass die Vorgaben des Art. 105 EPÜ dazu gedacht sind, dem vermeintlichen Patentverletzer die Möglichkeit zur Verteidigung zu geben, indem er die Gültigkeit des Patents statt in mehreren separaten nationalen Verfahren, in einem zentralisierten Verfahren vor dem EPA anfechten kann. Diesem kann der Beitretendenur basierend auf dem ersten Verletzungsverfahren beitreten, selbst wenn es mehrere nationale Verletzungsverfahren in verschiedenen EPÜ-Vertragsstaaten geben sollte. Die Kammer erklärte, dass der vermeintliche Verletzer das Einspruchsverfahren theoretisch absichtlich verzögern könnte, wenn es ihm frei stünde, aufgrund welches Verletzungsverfahrens er diesem beitritt, indem er basierend auf einem folgenden Verletzungsverfahren erst in einem späteren Stadium beitritt. Dies würde gegen die Zielsetzung des Art. 105 und der R. 89 (1) EPÜ verstoßen, weswegen hier die Interessen des vermeintlichen Patentverletzers in den verschiedenen nationalen Verfahren oder seine subjektive Einschätzung der wirtschaftlichen Bedeutung eines bestimmten Geltungsbereichs keine Rolle spielen dürfen.