2. Billigkeit einer anderweitigen Kostenverteilung – Fallgruppen
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2. Billigkeit einer anderweitigen Kostenverteilung – Fallgruppen
Im EPÜ findet sich keine Definition der Billigkeit. Die Beschwerdekammern mussten daher im Einzelfall die Kriterien herausarbeiten, nach denen eine anderweitige Kostenverteilung anzuordnen ist. In vielen Entscheidungen wird allgemein festgehalten, dass eine anderweitige Kostenverteilung dann der Billigkeit entspricht, wenn das Verhalten einer Partei nicht mit der zu fordernden Sorgfalt im Einklang steht, d. h. wenn Kosten durch leichtfertiges oder gar böswilliges Handeln verursacht werden (z. B. T 765/89, T 26/92, T 432/92 und T 256/16).
In T 1714/14 hielt die Kammer "Billigkeitsgründe" für gegeben, wenn die Kosten einer Partei aufgrund von schuldhaften Handlungen einer anderen Partei oder sogar missbräuchlichem Verhalten entstehen. Deutet jedoch nichts auf Fahrlässigkeit, Fehlverhalten oder einen Verfahrensmissbrauch hin, ist eine andere Kostenverteilung nicht gerechtfertigt.
Aus dem außergewöhnlichem Charakter einer anderweitigen Kostenverteilung gemäß Art. 104 (1) EPÜ und dem Verweis auf Verfahrensmissbrauch in Art. 16 (1) e) VOBK schloss die Kammer in T 967/18, dass für die Anordnung einer anderweitigen Kostenverteilung mehr vorliegen müsse als nur ein Fehler einer Partei oder eine fahrlässige Verzögerung einer Verfahrenshandlung, die beide in Verfahren auftreten und zu zusätzlichen Aufwendungen und Kosten führen können. Von "Verfahrensmissbrauch" spreche man in Extremsituationen, in denen "die Rechtsausübung überwiegend in Schädigungsabsicht erfolgt und andere, legitime Zwecke in den Hintergrund treten" (J 14/19). Fahrlässigkeit könne der Kammer zufolge zwar ebenfalls eine anderweitige Kostenverteilung rechtfertigen, müsse daher jedoch so schwer wiegen, dass sie mit vorsätzlichem Fehlverhalten gleichzusetzen wäre.
Anträge auf eine anderweitige Kostenverteilung werden häufig in unterschiedlichen Fallkonstellationen gestellt, in denen Kosten entstehen durch:
- verspätete Vorlage von Dokumenten und/oder Anträgen (s. dieses Kapitel III.R.2.1.);
- Handlungen oder Unterlassungen, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung beeinträchtigen (s. dieses Kapitel III.R.2.2.);
- Einlegung des Einspruchs oder der Beschwerde (s. dieses Kapitel III.R.2.3.);
- kurzfristige Rücknahme des Einspruchs oder der Beschwerde (s. dieses Kapitel III.R.2.4.);
- sonstige Fälle (s. dieses Kapitel III.R.2.5.).