4. Bevollmächtigung eines Vertreters
4.1. Einreichung der Vollmacht
Regel 101 EPÜ 1973 wurde geändert und ist nun R. 152 EPÜ 2000. Insbesondere hat R. 152 (6) EPÜ jetzt folgenden Wortlaut: "Wird eine vorgeschriebene Vollmacht nicht rechtzeitig eingereicht, so gelten unbeschadet anderer in diesem Übereinkommen vorgesehener Rechtsfolgen die Handlungen des Vertreters mit Ausnahme der Einreichung einer europäischen Patentanmeldung als nicht erfolgt." S. auch Beschluss der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007 über die Einreichung von Vollmachten (ABl. SA 3/2007, 128, L.1.) und J 8/10 (ABl. 2012, 470).
Das neu anzuwendende Recht ist im Beschluss des Präsidenten des EPA vom 8. Juli 2024 über die Unterzeichnung und Einreichung von Vollmachten festgelegt (ABl. 2024, A75 ; s. auch die erläuternde Mitteilung im ABl. 2024, A77 – die Maßnahmen gelten auch für die Verfahren zum Einheitspatent (ABl. 2024, A76)). Mit seinem Inkrafttreten am 1. November 2024 ersetzt der Beschluss vom 8. Juli 2024 den Beschluss der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007 über die Einreichung von Vollmachten (ABl. SA 3/2007, L.1.). Siehe auch EPÜ Richtlinien A‑VIII, 1.6-EPÜ Richtlinien A‑VIII, 1.9 und EPÜ Richtlinien A‑VIII, 3 – Stand April 2025. Zum neu anzuwendenden Recht gibt es derzeit noch keine Rechtsprechung.
In Anwendung von R. 152 (1) EPÜ und Art. 1 (1) des Beschlusses der Präsidentin des EPA (ABl. SA 3/2007, 128, L.1.) muss ein zugelassener Vertreter, der in der beim EPA geführten Liste eingetragen ist und sich als solcher zu erkennen gibt, nur in gewissen Fällen (Vertreterwechsel ohne Erlöschen der Vertretungsmacht des bisherigen Vertreters, Zweifel des Amts betreffend die Vertretungsbefugnis) eine unterzeichnete Vollmacht einreichen, T 1204/13 (s. auch T 548/13).
In T 1105/16 stellte die Kammer fest, dass bei Herrn K. (einem zugelassenen Vertreter) selbst dann, wenn er als Angestellter des Patentinhabers handeln würde, keine unterzeichnete Vollmacht erforderlich wäre, da ein Angestellter nur dann eine unterzeichnete Vollmacht einreichen muss, wenn er kein zugelassener Vertreter ist (s. Art. 3 des Beschlusses der Präsidentin (ABl. SA 3/2007, 128, L.1.).
In T 924/17 reichte der neue Vertreter fristgerecht am 6. Juni 2017 auf eine Aufforderung des EPA gemäß R. 152 (2) EPÜ hin eine unterzeichnete Vollmacht ein. Die Vollmacht trug eine Unterschrift mit dem Datum 23. Mai 2017, d. h. nach Einlegung der Beschwerde. Die Kammer stellte fest, dass es kein Erfordernis gibt, wonach das Datum der Unterschrift vor der Einlegung der Beschwerde liegen muss, geschweige denn ein Erfordernis, wonach vor dem Unterschriftsdatum vorgenommene Verfahrenshandlungen in der unterzeichneten Vollmacht ausdrücklich genehmigt werden müssen. Dies käme dem Erfordernis gleich, die Existenz einer früheren informellen mündlichen oder schriftlichen Bevollmächtigung nachzuweisen, die dem Vertreter erlaubt, für einen Beteiligten zu handeln, und würde zudem der Zweckbestimmung der R. 152 (2) EPÜ zuwiderlaufen, die eindeutig darin besteht, die nicht erfolgte Einreichung der Vollmacht nachzuholen, denn es versteht sich und liegt auf der Hand, dass die Vollmacht generell für alle Handlungen des neuen Vertreters während eines konkreten laufenden Verfahrens vor dem EPA gilt und diese abdeckt.
In J 12/88 stellte sich heraus, dass der frühere Vertreter des Beschwerdeführers in dessen Namen Handlungen vor dem EPA vorgenommen hatte, ohne dazu beauftragt gewesen zu sein, und dabei eine gefälschte Vollmacht benutzt hatte. Die Kammer erachtete das gesamte Verfahren für nichtig. Alle an das EPA im Namen des Beschwerdeführers gezahlten Gebühren seien hinfällig und müssten zurückgezahlt werden.
In T 850/96 hatte der Beschwerdeführer behauptet, der Einspruch sei nicht zulässig, weil die Unterzeichner der Einspruchsschrift keine Vollmacht eingereicht hätten. Ein Angestellter müsse mit der Einspruchsschrift eine Erklärung einreichen, wonach er als zugelassener Vertreter handle. Andernfalls müsse er eine Vollmacht einreichen. In dem betreffenden Fall war die Einspruchsschrift von zwei zugelassenen Vertretern unterzeichnet worden. Die Kammer verwies auf Art. 1 (1) des Beschlusses des Präsidenten des EPA vom 19. Juli 1991 (ABl. 1991, 489), wo es heißt, dass ein zugelassener Vertreter, der in der beim EPA geführten Liste eingetragen ist und sich als solcher zu erkennen gibt, nur in den Fällen von Art. 1 (2) und (3) dieses Beschlusses (jetzt Beschluss von 2007, ABl. SA 3/2007, 128) eine unterzeichnete Vollmacht einreichen muss. Im hier vorliegenden Fall bestand jedoch der Mangel nicht im Fehlen einer unterzeichneten Vollmacht, sondern darin, dass sich die Unterzeichner der Einspruchsschrift nicht als zugelassene Vertreter zu erkennen gegeben hatten (vgl. auch T 1744/09, wo unter Berufung auf T 850/96 entschieden wurde, dass sich ein zugelassener Vertreter auch rückwirkend als solcher zu erkennen geben kann).
In T 425/05 beantragte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) zu Beginn des Verfahrens, die Kammer möge die Beschwerde für unzulässig erklären, zum einen, weil die Beschwerde zu einem Zeitpunkt eingereicht worden sei, an dem die ursprüngliche Einsprechende (die Gesellschaft I) aufgelöst worden war und damit rechtlich aufgehört hatte, zu existieren, und zum anderen, weil es sich bei dem Fehler in der Beschwerdeschrift nicht um einen einfach zu berichtigenden Schreibfehler des Bevollmächtigten handelte, da dieser offenkundig nicht befugt war, im Namen der Gesellschaft F zu handeln, von der er noch nicht bevollmächtigt worden war. Die Kammer stellte zunächst fest, dass die Vollmacht, die den zugelassenen Vertreter berechtigte, im Namen der Gesellschaft I zu handeln, vorliegend niemals angefochten und auch nicht widerrufen worden war. Ebenso offensichtlich sei, dass die ursprüngliche Einsprechende, die Gesellschaft I, rechtlich aufgehört hatte, zu existieren, da sie aufgelöst worden war und ihr Vermögen nunmehr in den Besitz der Gesellschaft F als ihrer alleinigen Gesellschafterin und Aktionärin übergegangen war. Die Kammer gelangte daher zu dem Schluss, dass die Gesellschaft F als Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft I sowohl als Einsprechende wie auch als Mandantin des Vertreters an deren Stelle getreten sei. Die vom Vertreter, dessen Vollmacht niemals widerrufen und inzwischen bestätigt worden sei, eingelegte Beschwerde sei somit implizit, aber notwendigerweise im Namen der Gesellschaft F als seiner tatsächlichen Mandantin eingelegt worden, und die Gesellschaft I sei aufgrund eines – zwischenzeitlich berichtigten – Versehens in der Beschwerdeschrift als Einsprechende (Beschwerdeführerin) angegeben worden.
In T 267/08 hatte ein Vertreterwechsel stattgefunden, und der neue Vertreter hatte dies zusammen mit der Beschwerdeschrift angezeigt. Der bisherige Vertreter hatte das EPA nicht über das Erlöschen seiner Vollmacht unterrichtet. Gemäß dem Beschluss der Präsidentin des EPA (ABl. SA 3/2007, 128) hat in Fällen, in denen ein Vertreterwechsel stattgefunden hat und der bisherige Vertreter das Erlöschen seiner Vertretungsmacht dem EPA nicht angezeigt hat, "der neue Vertreter mit der Anzeige über die Vertreterbestellung eine Einzelvollmacht (im Original zusammen mit einer Kopie) oder einen Hinweis auf eine registrierte allgemeine Vollmacht einzureichen. Geschieht dies nicht, so wird der neue Vertreter aufgefordert, dies innerhalb einer vom EPA zu bestimmenden Frist nachzuholen." Im vorliegenden Fall forderte die Kammer den neuen Vertreter gemäß R. 152 (2) EPÜ zur Einreichung einer Vollmacht auf, weil sie festgestellt hatte, dass in der aktenkundigen Vollmacht nicht der richtige Einsprechende genannt war. Der neue Vertreter übermittelte die Vollmacht per Fax, versäumte es jedoch, das Original nachzureichen. Die Kammer befand, dass die Einreichung einer gültigen Vollmacht des Einsprechenden zwangsläufig auch die Einreichung des Originals einschließe und ein zugelassener Vertreter dies wissen müsse. Alle vom neuen Vertreter vorgenommenen Handlungen gälten somit als nicht erfolgt (R. 152 (6) EPÜ). Deswegen gelte auch die Beschwerdeschrift als nicht eingereicht und es liege keine Beschwerde vor.
In T 637/09 teilte der Beschwerdeführer der Kammer und dem Beschwerdegegner mit, dass der zugelassene Vertreter Herr S. ihn gemeinsam mit Herrn M., der bereits als zugelassener Vertreter für ihn tätig sei, vertreten werde. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung sprach der Beschwerdegegner Herrn S. die Vertretungsbefugnis ab. Die Kammer stellte fest, dass ein Beteiligter gemäß R. 152 (10) EPÜ von mehreren Vertretern gemeinschaftlich vertreten werden kann. Um den Beschwerdeführer vertreten zu können, musste Herr S. keine unterzeichnete Vollmacht einreichen. Es gab keine besonderen Umstände, die die Vorlage einer (weiteren) Vollmacht gemäß Art. 1 (3) des Beschlusses der Präsidentin des EPA (ABl. SA 3/2007, 128, L.1.) erforderlich gemacht hätten. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass Herr S. neben Herrn M. ordnungsgemäß zur Vertretung des Beschwerdeführers bevollmächtigt war.
In T 1700/11 entschied die Kammer wie folgt: Reicht ein europäischer Vertreter für eine Partei einen Einspruch ein und legt nach Aufforderung durch die Beschwerdekammer nicht fristgerecht eine unterschriebene Vollmachtsurkunde vor, gilt der Einspruch als nicht erfolgt (R. 152 (1) EPÜ, R. 152 (6) EPÜ). Die Kammer führte aus, dass diese rechtliche Fiktion einen Rechtsverlust (R. 112 (1) EPÜ) bewirkt. Eine Prüfung des rechtlich fiktiv nicht erfolgten Einspruchs auf Zulässigkeit komme daher nicht in Betracht. (Entscheidung zitiert in T 7/17).
In J 19/13 war der Vertreter, der den Erteilungsantrag EPA Form 1001E elektronisch unterzeichnet hat, für den Anmelder nicht unterschriftsberechtigt. Die Kammer stellte fest, dass eine Verfahrenshandlung durch einen Nichtberechtigten genauso zu behandeln ist wie eine fehlende Unterschrift. Dasselbe gilt für die elektronische Einreichung eines Schriftstücks mit der elektronischen Unterschrift eines Nichtberechtigten, was z. B. in T 1427/09 vom 17. November 2009 date: 2009-11-17 bestätigt wurde. Der Erteilungsantrag war somit als nicht unterzeichnet zu betrachten.
- T 1262/22
In T 1262/22, the respondents (patent proprietors) alleged that the appeal was inadmissible because the notice of appeal was filed by a professional representative (K) who was not authorised at the time of filing.
Under Art. 1(1) of the Decision of the President of the EPO dated 12 July 2007 on the filing of authorisations, in the version as applicable at the time the notice of appeal in question was filed, a professional representative was required to file a signed authorisation only in the circumstances set out in Art. 1(2) and (3) of said decision. This was the case if a change of professional representatives had occurred without the EPO being notified that the previous representative's authorisation has ended.
In the case in hand, while representation during the opposition proceedings had been undertaken by professional representative B, the notice of appeal was signed by new professional representative K. Since B had not informed the EPO of the termination of its authorisation, it was still deemed authorised before the EPO, as provided for by R. 152(8) EPC. Hence, the board found there was nothing unusual in the fact that the EPO continued to communicate with B, nor could it be concluded on this basis that K was not authorised, as submitted by the respondents. From the legal framework, pursuant to R. 152(1) EPC and the said Decision of the President of 2007, the new representative K had to file an authorisation granted by the opponent/appellant; it did so of its own motion on 5 April 2022, the authorisation having been granted by the opponent on 25 March 2022..
In accordance with R. 152(2) EPC, filing the authorisation on 5 April 2022 remedied the deficiency concerning the representation of the opponent/appellant before the relevant period for filing an appeal under Art. 108 EPC expired, i.e. 12 April 2022. Therefore, the consequence indicated in R. 152(6) EPC, according to which if the required authorisation is not filed in due time any procedural step taken by the representative is deemed not to have been taken, did not materialise. The notice of appeal was thus validly filed.
This conclusion was not affected by the fact that at the time the notice of appeal was filed, B was also acting as the professional representative for this case, since the system of representation before the EPO permits representation by several representatives, as long as the applicable rules mentioned are respected. Nor was this conclusion affected by the fact that K's authorisation bore a signature which was dated 25 March 2022, i.e. after the filing of the notice of appeal. Contrary to the respondents' submissions, the EPC does not express a requirement that the authorisation be signed before the filing of the notice of appeal; this would even be inconsistent with R. 152(2) EPC, which allows for a deficiency to be remedied. An authorisation is an internal legal relationship between the representative and the party. Accordingly, the question of whether an authorisation was in existence at the time the notice of appeal was filed is irrelevant for the EPO, as long as any deficiency concerning the party's representation is remedied within the time limit under Art. 108 EPC.
The respondents further submitted that the EPO's letter dated 11 April 2022, with which K was asked to confirm whether they intended to take over representation of the opponent, showed that there were doubts about the effectiveness of the authorisation filed on 5 April 2022. The respondents concluded that K did not actually take over representation until the reply of 3 May 2022, meaning that they clearly were not authorised when filing the notice of appeal. The board did not agree. The EPO's letter was aimed merely at clarifying if B was still a representative in addition to K, or whether K had taken over as the sole representative. K’s reply of 3 May 2022 could also not be understood as an actual taking over of representation for the first time. Such a conclusion would disregard the fact that K had already filed an authorisation granted by the opponent/appellant on 5 April 2022. Nothing more was actually required.
According to the board, the decisions cited by the respondents were not applicable.
The notice of appeal was therefore validly filed.