4.3.7 Vorbringen, das im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen wäre oder dort nicht mehr aufrechterhalten wurde – Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK
Art. 12 (6) Satz 2 VOBK impliziert, dass das betreffende Vorbringen in der ersten Instanz nicht vorgebracht wurde. Der Test des Art. 12 (6) Satz 2 VOBK wird daher oft im Rahmen der Ermessensausübung nach Art. 12 (4) VOBK angewandt. Siehe z. B. J 12/18, T 1081/20, T 3240/19. In anderen Entscheidungen wird diese Frage ohne Verweis auf Art. 12 (4) VOBK behandelt. Zum Konzept der Änderung nach Art. 12 (2) und (4) VOBK siehe obiges Kapitel V.A.4.2.2. In T 141/20 bezeichnete die Kammer Art. 12 (6) VOBK als lex specialis zu Art. 12 (4) VOBK.
Art. 12 (6) Satz 2 VOBK verbalisiert und kodifiziert (wie schon zuvor Art. 12 (4) VOBK 2007) den Grundsatz, dass jeder Beteiligte alle Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge, die relevant erscheinen, so früh wie möglich vorlegen sollte, um ein faires, zügiges und effizientes Verfahren sicherzustellen (T 101/17 mit Verweis auf T 162/09 und T 1848/12; für die Rechtsprechung zu Art. 12 (4) VOBK 2007 siehe RBK, 10. Aufl. 2022, V.A.5.1.2 und V.A.5.11).
Die Wiedereinführung eines Gegenstands, auf dessen Überprüfung in erster Instanz bewusst verzichtet wurde, widerspricht dem in Art. 12 (2) VOBK normierten Zweck des Beschwerdeverfahrens als Überprüfungsinstanz. Entsprechende Anträge sind daher in der Regel nach Art. 12 (6) Satz 2 erster Halbsatz VOBK nicht zuzulassen (T 1456/20).
Wie für Art. 12 (6) Satz 1 VOBK (s. Kapitel V.A.4.3.6 h)) prüfen die Kammern nach der Feststellung, dass die betreffenden Anträge, Tatsachen, Einwände oder Beweismittel erstinstanzlich vorzubringen gewesen wären, in einem zweiten Schritt, ob die Umstände der Beschwerdesache eine Zulassung rechtfertigen. Siehe nachstehendes Kapitel V.A.4.3.7 r).