6.3.1 Auswahl eines Teilbereichs
Die von den Beschwerdekammern angewendeten Grundsätze zur Neuheit von Auswahlerfindungen wurden zunächst insbesondere in T 198/84 (ABl. 1985, 209) entwickelt und in T 279/89 zu drei Kriterien knapp zusammengefasst, von denen das dritte ("Erfordernis c"), das die gezielte Auswahl betraf, in der jüngeren Rechtsprechung verworfen wurde. Mit T 261/15 wurden folgende Kriterien für die Neuheit einer Auswahl eines Teilbereichs numerischer Zahlenwerte aus einem größeren Bereich festgelegt:
a) Der ausgewählte Teilbereich muss eng sein;
b) er muss genügend Abstand von dem – durch Beispiele belegten – bekannten Bereich haben.
Seit 2019 spiegeln dies auch die Richtlinien wider (G‑VI, 8 (ii) – Stand November 2019; unter Verweis auf T 261/15).
In T 1688/20 erläuterte die Kammer ferner, dass in Fällen, in denen unter Anwendung des "Goldstandards" festgestellt werden kann, ob die Fachperson einen beanspruchten Teilbereich unter Hinzuziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig aus einem bestimmten offenbarten Bereich des Stands der Technik abgeleitet hat, keine unterstützenden Tests oder Kriterien erforderlich sind, um zu einer Entscheidung zu gelangen. In diesem besonderen Fall braucht somit keines der drei ursprünglich in T 198/84 entwickelten Kriterien angewendet zu werden (s. auch T 337/22).
Die Postulate für die Neuheit eines ausgewählten Teilbereichs beruhen auf dem Gedanken, dass Neuheit ein absoluter Begriff ist, weshalb eine allein dem Wortlaut nach unterschiedliche Erfindungsdefinition nicht ausreicht. Vielmehr ist bei der Neuheitsprüfung darauf abzustellen, ob der Stand der Technik geeignet ist, der Fachperson den Erfindungsgegenstand seinem Inhalt nach in Form einer technischen Lehre kundzutun (s. frühe Rechtsprechung unten: T 12/81, ABl. 1982, 296; T 181/82, ABl. 1984, 401; T 198/84, ABl. 1985, 209; T 17/85, ABl. 1986, 406).