2.2. Zuständigkeit des EPA für die Feststellung der Prioritätsberechtigung
2.2.1 Frage an die Große Beschwerdekammer in den verbundenen Verfahren T 1513/17 und T 2719/19
In G 1/22 und G 2/22 kam die Große Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass das EPA zuständig ist für die Feststellung, ob ein Beteiligter berechtigt ist, nach Art. 87 (1) EPÜ eine Priorität in Anspruch zu nehmen (G 1/22 und G 2/22, ABl. 2024, A50, Nrn. 112 und 130 der Gründe, Nr. I der Entscheidungsformel).
Vor G 1/22 und G 2/22 sind die Kammern in Fällen, in denen sie überprüfen mussten, ob der Anmelder einer Nachanmeldung berechtigt war, nach Art. 87 (1) EPÜ eine Priorität in Anspruch zu nehmen, in der Regel stillschweigend davon ausgegangen, dass sie für diese Überprüfung zuständig sind. In der Sache T 844/18, in der diese Zuständigkeit infrage gestellt wurde, bekräftigte die Kammer ihre Zuständigkeit. Sie sah darüber hinaus auch keine Möglichkeit, Art. 60 (3) EPÜ entsprechend auf das Prioritätsrecht nach Art. 87 (1) EPÜ anzuwenden. Diese Auffassungen wurden in T 2431/17 (gemeinsam mit T 844/18, von der Großen Beschwerdekammer zitiert in G 1/22 und G 2/22, Nr. 58 der Gründe) bestätigt. Dessen ungeachtet, wurde die Zuständigkeit des EPA in mehreren Fällen von den Beschwerdekammern infrage gestellt (s. G 1/22 und G 2/22, Nrn. 47, 58 und 59 der Gründe). Dies veranlasste die Kammer in T 1513/17 und T 2719/19 date: 2022-01-28, die Große Beschwerdekammer mit folgender Frage zu befassen: "Verleiht das EPÜ dem EPA die Zuständigkeit für die Feststellung, ob ein Beteiligter wirksam beansprucht, ein Rechtsnachfolger gemäß Art. 87 (1) b) EPÜ zu sein?" Um alle Situationen abzudecken, in denen die Prioritätsberechtigung eines Anmelders in Verfahren vor dem EPA relevant ist, formulierte die Große Beschwerdekammer die Frage wie folgt um: "Ist das EPA zuständig für die Feststellung, ob ein Beteiligter berechtigt ist, nach Art. 87 (1) EPÜ eine Priorität in Anspruch zu nehmen?"
Die vorlegende Kammer befasste die Große Beschwerdekammer mit einer zweiten Frage zum "Gemeinsame Anmelder nach dem PCT"-Ansatz. Diese wird in Kapitel II.D.2.5.3. erörtert.