5.1.2 Einzelfälle
- Priorität
In G 1/22 und G 2/22 (ABl. 2024, A50), kam die Große Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass es eine widerlegbare Vermutung nach dem autonomen Recht des EPÜ gibt, dass ein Anmelder, der eine Priorität unter Beachtung des Art. 88 (1) EPÜ und der entsprechenden Regeln der Ausführungsordnung beansprucht, zur Inanspruchnahme der Priorität berechtigt ist (G 1/22 und G 2/22, Nrn. 105, 112 der Gründe und Nr. I der Entscheidungsformel). Die widerlegliche Vermutung beinhaltet die Beweislastumkehr. Siehe auch Kapitel III.G.5.2.2 e) und hauptsächlich zur Priorität unter anderem in II.D.2.4.1, II.D.2.4.3.
Zur aktuellen Rechtsprechung siehe Kapitel II.D "Priorität".
- Inhalt des Prioritätsdokuments
In T 1147/02 setzte die Kammer sich mit der Frage auseinander, welche Partei im Beschwerdeverfahren für den genauen Inhalt eines Prioritätsdokuments beweispflichtig ist, wenn es um die Bestimmung des maßgeblichen Prioritätstags geht. Da es der Beschwerdeführer war, der den zur Ermittlung des Stands der Technik benötigten Prioritätstag in Frage stellte, war es nach den in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen an ihm, überzeugend nachzuweisen, dass das maßgebliche Datum nicht der Tag der Einreichung des Prioritätsdokuments gewesen war.
In T 1303/18 (s. Orientierungssatz) behauptete die Patentinhaberin, dass das Prioritätsdokument D49 dieselbe Verbindung offenbart und die Priorität daher gültig ist. Die Kammer sah die Beweislast für die Übereinstimmung der Verbindungen bei der Patentinhaberin. Grundsätzlich muss der Anmelder bei der Beanspruchung einer Priorität dafür sorgen, dass es sich in der späteren Anmeldung um dieselbe Erfindung handelt.