2. Zustellungsarten
2.1. Zustellung durch Postdienste
Regel 126 EPÜ enthält die Bestimmungen über die Zustellung durch Postdienste. Alle Zustellungen durch Postdienste erfolgen mittels eingeschriebenen Briefs.
2015 wurde in R. 126 EPÜ sowie in den R. 125 (2) EPÜ und R. 133 (1) EPÜ der Begriff "Post" durch "Postdienste" bzw. "Postdiensteanbieter" ersetzt (CA/D 6/14, ABl. 2015, A17). Damit stand es dem EPA frei, jeden Postdiensteanbieter zu wählen, den es für die Zustellung geeignet erachtete.
Angesichts der niedrigen Rücklaufquote von Rückscheinen und des erheblichen Verwaltungsaufwands, der mit ihrer Bearbeitung verbunden ist, wurde R. 126 (1) EPÜ geändert (CA/D 2/19, ABl. 2019, A31), um die Verwendung von Rückscheinen abzuschaffen. Entscheidungen, die eine Beschwerdefrist oder eine Frist für einen Antrag auf Überprüfung in Lauf setzen, Ladungen und Bescheide oder andere Mitteilungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, müssen stattdessen nur durch eingeschriebenen Brief zugestellt werden, sofern dies nicht elektronisch geschieht (ABI. 2019, A57). Bescheide und Mitteilungen, durch die keine Frist in Lauf gesetzt wird oder die nach dem EPÜ oder nach einer Verfügung des Präsidenten des EPA keiner förmlichen Zustellung bedürfen, können weiterhin auf dem normalen Postweg übermittelt werden. Die geänderte R. 126 (1) EPÜ ist am 1. November 2019 in Kraft getreten.
Nach der Entscheidung, die Verwendung von Rückscheinen abzuschaffen (ABl. 2019, A31), hat das EPA noch bis 1. Februar 2024 Zustellungen per Einschreiben von Entscheidungen, die eine Beschwerdefrist in Lauf setzen, sowie Ladungen weiterhin ein Formblatt für die Empfangsbescheinigung (EPA Form 2936) beigelegt. Die Empfänger wurden gebeten, das Formblatt mit Empfangsdatum und Unterschrift zu versehen und umgehend zurückzusenden (s. T 1529/20, zusammengefasst unten in Kapitel III.S.5.1., wo die Kammer feststellte, dass in der Sache keine Empfangsbescheinigung des Beschwerdeführers zur Entscheidung der Einspruchsabteilung vorlag). Zustellungen der Beschwerdekammern, die Entscheidungen, Ladungen und Mitteilungen über formale Mängel oder über einen Rechtsverlust sowie sonstige von einer Beschwerdekammer im Einzelfall bestimmte Dokumente betrafen, erfolgten ebenfalls durch eingeschriebenen Brief unter Beifügung der entsprechenden Empfangsbescheinigung (EPA Form 3936). Dasselbe galt für Zustellungen der Großen Beschwerdekammer. Die Praxis, postalische Empfangsbescheinigungen zu versenden, wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2024 abgeschafft (ABl. 2023, A108).
Mit Wirkung vom 1. November 2023 wurde R. 126 (2) EPÜ geändert, um die Zehn-Tage-Rechtsfiktion für die Zustellung abzuschaffen und die Zustellungsfiktion auf der Grundlage des Datums des Dokuments einzuführen (CA/D 10/22, ABl. 2022, A101). Im Falle einer postalischen Zustellung gilt nach der Praxis des EPA als Datum des Schriftstücks der Tag, an dem es einem Postdiensteanbieter übergeben wird. Damit dies gewährleistet ist, datiert das EPA seine Schriftstücke auf einen späteren Zeitpunkt, damit sie intern bearbeitet und an dem Tag ausgestellt werden können, auf den sie datiert sind. Siehe Mitteilung des EPA vom 25. November 2022 über rechtliche Änderungen zur Unterstützung der digitalen Transformation im Patenterteilungsverfahren (ABl. 2022, A114) und Mitteilung des EPA vom 6. März 2023 über die geänderten R. 126, 127 und 131 EPÜ (ABl. 2023, A29). Zur Praxis der Nachdatierung schriftlicher Entscheidungen s. G 12/91.
In T 1693/13 hatte das Amt schon vor dem Inkrafttreten der geänderten R. 126 EPÜ im April 2015 die angefochtene Entscheidung per UPS-Kurierdienst zugestellt. Die Kammer entschied daher, dass der Beschwerdeführer davon ausgehen konnte, dass der UPS-Kurierdienst als Post im Sinne der R. 126 EPÜ a. F. betrachtet wurde und in Bezug auf die Berechnung der Beschwerdefrist gemäß R. 126 EPÜ a. F. zwischen einer per Post versandten Entscheidung und einer per UPS-Kurierdienst versandten Entscheidung kein Unterschied gemacht werde. In G 1/14 (ABl. 2016, A95) vertrat die Große Beschwerdekammer dagegen die Ansicht, dass R. 126 (1) EPÜ a. F. ausschließlich für die Zustellung durch die Post mittels "eingeschriebenen Brief mit Rückschein" galt und nicht für eine Zustellung auf einem anderen Weg (im vorliegenden Fall per UPS).
Zur Frage der Beweislast und Absicherungen bei Zustellungsmängeln s. dieses Kapitel III.S.5.
In T 1596/14 hielt die Kammer in einem obiter dictum fest, dass es keinerlei Beweis oder Indiz dafür gab, dass die angebliche Ungleichbehandlung der Parteien durch die an verschiedenen Tagen erfolgte Zustellung derselben Entscheidung den Interessen einer Partei abträglich gewesen wäre. Es ergaben sich keinerlei Konsequenzen für die Zulässigkeit der Beschwerden oder für den ordnungsgemäßen Verlauf des anschließenden Beschwerdeverfahrens. Die Kammer stellte fest, dass das EPÜ keine besondere Sanktion oder Abhilfe für diese Situation vorsieht; sie konnte in dem Vorschlag des Beschwerdeführers I, die Entscheidung mit einem neuen gemeinsamen Zustellungsdatum nochmals zu versenden, schwerlich eine Lösung erkennen, da die Parteien ja bereits über die jeweils gegnerischen Argumente im Bilde waren.