2. Zustellungsarten
2.2. Zustellung durch Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung
Gemäß R. 127 EPÜ kann die Zustellung auch durch Einrichtungen zur elektronischen Nachrichtenübermittlung bewirkt werden, die der Präsident des EPA unter Festlegung der Bedingungen für ihre Benutzung bestimmt. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass der Nutzer eingewilligt hat, Mitteilungen elektronisch zugestellt zu bekommen (s. Mitteilung des EPA vom 30. März 2015, ABI. 2015, A36).
Mit Wirkung vom 1. November 2023 wurde R. 127 (2) EPÜ geändert, um die Zehn-Tage- Rechtsfiktion für die Zustellung abzuschaffen und die Zustellungsfiktion auf der Grundlage des Datums des Dokuments einzuführen (CA/D 10/22, ABl. 2022, A101). Im Falle einer Zustellung im Wege der elektronischen Übermittlung gilt nach der Praxis des EPA als Datum eines Schriftstücks das Datum seiner elektronischen Übermittlung. Siehe Mitteilung des EPA vom 25. November 2022 über rechtliche Änderungen zur Unterstützung der digitalen Transformation im Patenterteilungsverfahren (ABl. 2022, A114) und Mitteilung des EPA vom 6. März 2023 über die geänderten R. 126, 127 und 131 EPÜ (ABl. 2023, A29).
Die elektronische Zustellung erfolgt durch elektronische Übermittlung an eine aktivierte Mailbox. Ein Dokument gilt im Sinne von R. 127 (2) EPÜ an dem Tag als zugegangen, an dem das Dokument in der betreffenden Mailbox bereitgestellt wurde. Für weitere Einzelheiten s. den Beschluss des Präsidenten des EPA vom 9. Februar 2024 über den webbasierten Online-Dienst MyEPO Portfolio und die elektronische Zustellung an die Mailbox in Verfahren nach dem EPÜ und dem PCT (ABl. 2024, A20) und die Mitteilung des EPA vom 9. Februar 2024 über neue Funktionen von MyEPO Portfolio (ABl. 2024, A21). Seit 1. Juli 2024 kann auf die Mailbox nur noch über MyEPO Portfolio zugegriffen werden (s. den Beschluss des Präsidenten des EPA vom 22. April 2024 über die Abschaffung bestimmter Online-Dienste (ABl. 2024, A43) und die Mitteilung des EPA vom 22. April 2024 über die Abschaffung bestimmter Online-Dienste (ABl. 2024, A44)).
Am 1. Juni 2021 haben die Beschwerdekammern begonnen, Dokumente in Beschwerdeverfahren elektronisch über die Mailbox zuzustellen (Mitteilung des Präsidenten der Beschwerdekammern vom 13. April 2021 über die Ausweitung der elektronischen Zustellung über die EPA-Mailbox auf das Beschwerdeverfahren; ABl. 2021, A37).
Am 1. September 2020 startete das EPA ein Pilotprojekt, das es den Prüfungsabteilungen erlaubte, wichtige Informationen über mündliche Verhandlungen per E-Mail zuzustellen (s. Beschluss des Vizepräsidenten Rechtsfragen und internationale Angelegenheiten (Generaldirektion 5) des EPA vom 23. Juli 2020, ABl. 2020, A89). Das Pilotprojekt endete am 31. August 2021 (ABl. 2021, A67). In T 762/20 erklärte die Kammer, dass D5 nur per E-Mail in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt worden war. Die elektronische Akte, die einzige offizielle Akte im Zusammenhang mit der Anmeldung (R. 147 (1) EPÜ) und Niederschrift des erstinstanzlichen Verfahrens, die zur Akteneinsicht zur Verfügung stand und von der Kammer bei ihrer gerichtlichen Überprüfung verwendet wurde, enthielt diese E-Mail jedoch nicht. Die Kammer stimmte daher zu, dass der Beschwerdeführer vor der Zustellung der angefochtenen Entscheidung nicht offiziell über einen auf D5 gestützten Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit informiert worden war.
Eine Übermittlung von Zustellungen per Telefax ist generell nicht zulässig (J 27/97) und kann daher auch bei nachgewiesenem Zugang keine wirksame Zustellung bewirken. Anders war dies in der Sache T 580/06, wo die Mitteilung eines Fehlbetrags nach Nr. 6.4 VLK nur per Telefax erfolgte. Diese Zustellungsart war allerdings konform mit Nr. 6.4 VLK in Verbindung mit R. 77 (2) d) EPÜ 1973. Der Präsident des EPA hatte für Zustellungen per Telefax keine Bedingungen im Sinne dieser Regel festgelegt. Insbesondere war eine Bestätigung des Telefax per Post nicht zwingend vorgeschrieben. Die Mitteilung wurde somit formgerecht zugestellt. Nach Ansicht der Kammer war der "OK"-Vermerk auf dem Sendebericht eines Telefax als Beweis für die fehlerlose und vollständige Zustellung anzusehen, durch welche das Telefax in den Verantwortungsbereich des Empfängers gelangt war.