Tragbares, KI-basiertes Testkit zur Identifizierung bakterieller Infektionen: Niederländische Wissenschaftlerin als Finalistin des Young Inventors Prize 2024 ausgewählt
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Die 29-jährige niederländische Wissenschaftlerin Rochelle Niemeijer hat ein schnelles, kostengünstiges und KI-gestütztes Tool zur Diagnose bakterieller Infektionen entwickelt, das bessere Behandlungsentscheidungen ermöglicht.
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Ihr Start-up-Unternehmen Nostics konzentriert sich auf die häufigsten Arten von Infektionen beispielsweise der Harnwege, von Pilz- und Blutbahninfektionen.
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Die niederländische Erfinderin tritt zum 9. Juli beim Young Inventors Prize gegen ein ukrainisches und ein tunesisches Team an.
München, 4. Juni 2024 – Laut einer in The Lancet veröffentlichten Studie wurde 2019 einer von acht Todesfällen weltweit durch Bakterieninfektionen verursacht, womit dies die zweithäufigste Todesursache weltweit darstellt. Wegen langsamer oder ineffektiver Diagnosen werden viele Behandlungen mit unzureichenden Informationen zum Gesundheitszustand vorgenommen, so dass übermäßig viele Antibiotika verabreicht werden. Dies ist ein großes Problem, das die niederländische Wissenschaftlerin Rochelle Niemeijer lösen möchte. Sie hat ein Point-of-Care-Testkit entwickelt, das mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) Bakterien, die etwa Harnwegsinfektionen verursachen, schnell identifizieren kann, so dass bessere Behandlungsentscheidungen möglich werden. Niemeijer ist Finalistin des Young Inventors Prize im Rahmen des Europäischen Erfinderpreises 2024, in Anerkennung ihrer vielversprechenden Arbeit für bessere Zugänglichkeit von Diagnosen. Sie unterstützt damit eines der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) - und wurde aus über 550 Bewerberinnen und Bewerbern der diesjährigen Auflage ausgewählt.
KI im Dienste der Gesundheit
Antibiotikaresistenz ist eine der schwersten Bedrohungen für die globale öffentliche Gesundheit und Entwicklung. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärt, dass Antibiotikaresistenz 2019 direkt für 1,27 Millionen Tote weltweit verantwortlich war. Unzureichende Diagnostik – insbesondere in ländlichen und einkommensschwachen Gebieten ohne die nötigen Ressourcen und Finanzmittel – verschärft das Problem weiter und hat Fehldiagnosen, unnötige Behandlungen und eine Belastung des Gesundheitswesens zur Folge. Niemeijers Start-up-Unternehmen Nostics möchte Ärzten schnelle Diagnosetools an die Hand geben, damit sie gezielter behandeln können, beginnend mit einer der weltweit häufigsten Infektionen: einer Infektion der Harnwege.
Das Tool von Nostic ermöglicht eine schnelle Erkennung und Identifizierung von Bakterien. Die Technologie besteht aus der Kombination eines tragbaren Spektrometers und digitaler Software mit künstlicher Intelligenz und einer Einwegkartusche für die einfache Verarbeitung und Messung von Proben. Die Erfindung analysiert mithilfe oberflächenverstärkter Raman-Spektroskopie (SERS) Proben, was bereits in der akademischen Forschung untersucht, aber bisher noch nicht in kommerziellen Medizinprodukten umgesetzt wurde. Interagiert Laserlicht mit der Probe, entstehen spektrale Muster, auch wenn diese nur wenige Erreger enthält. Ein Team von KI-Spezialisten entwickelt Algorithmen, die diese spektralen Muster entschlüsseln und damit unterschiedliche Erreger genau identifizieren und klassifizieren kann.
Die Technologie kann als erster Diagnoseschritt Bakterienarten ohne Fachexperten oder umfangreiche Laborinfrastruktur innerhalb von 15 Minuten identifizieren. Dies ist deutlich schneller und praktischer, als die Probe an ein Labor schicken zu müssen. Diese Technologie ist vielseitig und an verschiedene Infektionskrankheiten anpassbar, ideal für Screenings und Profiling in Gegenden mit begrenzten Ressourcen, vor Ort in Krisengebieten oder bei Point-of-Care-Tests, da sie von jedem angewendet werden kann.
Nostics hat bisher 10 Millionen Euro Zuschüsse für die Entwicklung schneller, erschwinglicher und datengestützter Diagnosetools in Form einer tragbaren Plattform für Ärzte erhalten. Das Verfahren beruht auf einer Kombination aus Photonik, Nanotechnologie und KI.
Hilfeleistung durch Nanobiologie
Niemeijers Wunsch, Menschen zu helfen, entwickelte sich 2012 während ihres Freiwilligendienstes in einem Krankenhaus in Samraong (Kambodscha), wo sie sich mit erheblichem Mangel an Ressourcen und schlecht zugänglichen Diagnosetools konfrontiert sah. Danach studierte sie Nanobiologie an der TU Delft, wo sie einen Bachelor und einen Master erwarb. Im April 2020 wurde sie Mitbegründerin und Chief Scientific Officer von Nostics, um innovative Diagnoseverfahren unter Verwendung von Nanotechnologie, Photonik und maschinellem Lernen zu entwickeln. Niemeijer erklärt: "Wir wollen etwas bewegen, indem wir schnelle und leicht zugängliche Diagnosewerkzeuge bereitstellen. So können wir sicherstellen, dass jeder zur richtigen Zeit die richtige Behandlung erhält."
Indem sie Diagnosen für jeden und überall zugänglich macht, macht die Erfindung die Krankenversorgung effizienter und übersichtlicher, fördert einen verantwortungsvollen Einsatz von keimhemmenden Medikamenten, verhindert die falsche oder übermäßige Verabreichung von Antibiotika und verbessert die Überwachung von Krankheiten. Damit unterstützt sie das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG) 3, Gesundheit und Wohlergehen.
Die junge niederländische Erfinderin des Verfahrens wurde unter die drei Finalisten für den Young Inventors Prize beim diesjährigen Europäischen Erfinderpreis nominiert, mit dem herausragende Erfinder unter 30 Jahren gewürdigt werden. Die anderen Finalisten sind der Ukrainer Valentyn Frechka, der eine Methode entwickelt hat, um herabgefallenes Laub in wiederverwertbares Papier umzuwandeln und so die Abholzung von Wäldern und die CO2-Emissionen zu verringern, und ein Team tunesischer Erfinderinnen, Khaoula Ben Ahmed, Ghofrane Ayari, Souleima Ben Temime und Sirine Ayari, die eine intelligente Lösung zur Steuerung von Rollstühlen entwickelt haben, mit der Menschen mit schweren Behinderungen unabhängig navigieren können. Die Bekanntgabe der Gewinnerinnen und Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2024 und des Young Inventors Prize erfolgt bei der Preisverleihung, die am 9. Juli 2024 per Livestream aus Malta übertragen wird.
Weitere Informationen über die Auswirkungen der Erfindung, die Technologie und Näheres zu den Erfinderinnen und Erfindern finden Sie hier.
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Young Inventors Prize
Das Europäisches Patentamt rief den Young Inventors Prize 2021 ins Leben, um die nächste Generation von Erfinderinnen und Erfindern zu inspirieren. Dieser Preis richtet sich an innovative Menschen im Alter von bis zu 30 Jahren aus aller Welt, in Anerkennung von Initiativen, die mittels Technologie zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen beitragen. Dem Gewinner winkt ein Preisgeld in Höhe von 20 000 EUR. Der Zweitplatzierte erhält 10 000 EUR und der Finalist, der auf dem dritten Platz landet, bekommt 5 000 EUR. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury aus früheren Finalistinnen und Finalisten des Europäischen Erfinderpreises und des Young Inventors Prize ausgewählt. Das EPA überreicht die Preise bei der Hybrid-Preisverleihung des Europäischen Erfinderpreises 2024 am 9. Juli. Im Gegensatz zu den traditionellen Kategorien des Europäischen Erfinderpreises müssen die Preisträger kein europäisches Patent erhalten haben. Hier erfahren Sie mehr über die Qualifikations- und Auswahlkriterien des Young Inventors Prize.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Mit dem 2006 vom EPA ins Leben gerufenen Preis werden Einzelpersonen und Teams ausgezeichnet, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Jury des Europäischen Erfinderpreises besteht aus Erfindern, die allesamt ehemalige Finalistinnen und Finalisten sind. Bei der Beurteilung der Vorschläge stützt sich die unabhängige Jury auf ihr umfangreiches Fachwissen in den Bereichen Technik, Wirtschaft und geistiges Eigentum. Im Jahr 2024 hat Wolfgang M. Heckl den Vorsitz der Jury inne. Alle Erfinder müssen für ihre Erfindung ein europäisches Patent erhalten haben. Weitere Informationen zu den verschiedenen Kategorien und Preisen, den für die Auswahl geltenden Kriterien und zur Preisverleihungszeremonie am 9. Juli 2024 in Malta, die im Livestream verfolgt werden kann.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 45 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.