Europäischer Erfinderpreis 2015: Schöpfer von 15 bahnbrechenden Innovationen als Finalisten gekürt
- Europäisches Patentamt nominiert Erfinder aus der Biochemie, dem Bauwesen, der Energietechnik, Elektronik, der industriellen Chemie, den Materialwissenschaften, der Medizintechnik, der Nahrungsmitteltechnologie und Physik, die mit ihren Arbeiten unseren Alltag verändern
- Der Preis wird am 11. Juni bei Gala in Paris zum zehnten Mal verliehen
- Wahl des Publikumspreises findet per Stimmabgabe im Internet statt
- EPA-Präsident Battistelli: „Diese bahnbrechenden Erfindungen unterstreichen Europas Rolle als führende Technologieregion und Innovationsstandort für Erfinder aus aller Welt."
München, 21. April 2015 - Ihre Erfindungen erleichtern den Alltag, retten Leben und sichern wirtschaftlichen Wert und schaffen Arbeitsplätze: Die 15 Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2015 stehen fest. Mit dem prestigeträchtigen Innovationspreis zeichnet das Europäische Patentamt (EPA) bereits zum zehnten Mal Erfinder und Teams von Entwicklern in fünf Kategorien aus, deren Erfindungen vom EPA patentiert worden sind und besonders zum gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritt beigetragen haben. Der Europäische Erfinderpreis 2015 wird am 11. Juni in Paris im Beisein hochrangiger Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Forschung und verliehen. Große Spannung verspricht auch der Publikumspreis, über den per Online-Voting im Internet entschieden wird.
Weit mehr als 300 Einzelerfinder und Erfinderteams wurden für die Auszeichnung vorgeschlagen, 15 von einer international besetzten Jury als Finalisten für den diesjährigen Erfinderpreis ausgewählt. Sie kommen aus 11 Ländern, nämlich Australien, China, Frankreich, Großbritannien, Japan, Lettland, den Niederlanden, Österreich, Schweden, Schweiz, den USA. Ihre Erfindungen stammen aus so unterschiedlichen Gebieten wie dem Bauwesen, den Materialwissenschaften, der Biochemie, der Energietechnik, der Nahrungsmitteltechnologie und der Physik.
„Diese zukunftsweisenden Erfindungen unterstreichen Europas Rolle als attraktiven Innovationsstandort und führende Technologieregion. Das europäische Patentsystem bietet nicht nur Erfindern aus aller Welt die geeigneten Rahmenbedingungen zur Entfaltung ihrer Kreativität, sondern schafft auch Anreize für Investoren und Unternehmer, was sich in Arbeitsplätzen und wirtschaftlichem Wohlstand in einer Region mit 600 Millionen Menschen niederschlägt. Diese Erfindungen zeigen erneut, dass das Entwicklungspotential der europäischen Wirtschaft in ihrer Innovationskraft liegt", so EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten.
Die Finalisten in den einzelnen Kategorien:
Industrie
Jean-Christophe Giron (Frankreich): Die Energiekosten für Heizungen und Kühlanlagen von Gebäuden dank Nanotechnologie im Fensterglas um bis zu 20 Prozent senken. Elektrochromes Glas nutzt im Winter die Kraft der Sonne, um den Raum aufzuwärmen und verdunkelt sich im Sommer, um die Wärmestrahlung zu blockieren und den Raum vor Überhitzung zu schützen. Die technologische Innovation von Giron reguliert die Sonneneinstrahlung ohne sichteinschränkende und schattenwerfende Jalousien oder Rollläden und ist ein Meilenstein in der ökologischen Bauweise von Gebäuden.
Gunnar Asplund (Schweden): Strom verlustfrei über tausende Kilometer übertragen. Mit HVDC light, einer Methode der Höchstspannungs-Gleichstromübertragung, hat Asplund eine revolutionäre Technologie für den Stromtransport entwickelt. Per Erd- oder Seekabel wird der Strom direkt vom Erzeugungsort zum Verbraucher geleitet. Nicht nur die Übertragung selbst wird effizienter und kostengünstiger, sie ist obendrein auch umweltfreundlicher und kommt ohne mächtige Überlandleitungen aus. Die Einspeisung erneuerbarer Energien ins Stromnetz ist mit HVDC light problemlos möglich. Zudem sind die dafür nötigen Trassen schmaler als Wechselstromtrassen.
Franz Amtmann, Philippe Maugars (Österreich, Frankreich): Einfache Verbindungen, schnelle Übertragung und problemloses Datensharing. Amtmann, Maugars und ihr Team haben NFC (Near Field Communication) entwickelt, ein einfaches und sicheres Verfahren für die Kommunikation zwischen mobilen Geräten. Die Technologie beruht auf der Übertragung verschlüsselter Daten und stellt eine Verbesserung der ursprünglichen RFID-Technologie dar. Vom Internet der Dinge bis zu Industry 4.0: NFC macht die Kommunikation zwischen dem Menschen und seiner Umgebung in einer neuen und faszinierenden Welt möglich. Ob schnelle und einfache Bezahlung, Zutritt zu Sicherheitszonen oder Logistik im Warenlager - die Anwendungsbereiche scheinen grenzenlos.
Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)
Laura Johanna van 't Veer (Niederlande): Die bahnbrechende Entwicklung von Laura Johanna van 't Veer, ein genbasierter Gewebetest, gibt Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium eine verlässliche Prognose, ob sie einem hohen Risiko der Wiedererkrankung ausgesetzt sind oder ob sie ihre Genesung auch ohne Chemotherapie fortsetzen können. Dank der Erfindung dieser gezielten Behandlungsmöglichkeit müssen sich heute 20 bis 30 Prozent weniger Frauen einer langwierigen Chemotherapie mit allen ihren Nebeneffekten unterziehen.
Michel Lescanne (Frankreich): Mit Erdnusspaste gegen Hungerkatastrophen. Weltweit sind 51 Millionen Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt - rund eine Million sterben jährlich an den Folgen. Um Abhilfe zu schaffen, entwickelte Lescanne die erste direkt einsetzbare therapeutische Fertignahrung (RUTF) auf Ölbasis: Plumpy'Nut. Die reichhaltige Erdnusspaste kann ohne Anrühren mit Wasser verzehrt werden und hat deshalb die Überlebenschancen von Kindern in Krisenregionen signifikant verbessert. Plumpy‘Nut hat bereits 25 Millionen Kindern zu retten geholfen.
John Elvesjö und Mårten Skogö (Schweden): Den Computer mit den Augen steuern - das Eyetracking-System von Elvesjö und Skogö revolutioniert die berührungslose Kommunikation zwischen Mensch und Computer. Möglich wird dies durch einen Infrarotsensor am Bildschirm, der die Augenbewegungen sowie die Blickrichtung des Nutzers registriert. Menschen, die in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, erhalten durch Eyetracking die Möglichkeit, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren, wie zum Beispiel der Physiker Stephen Hawking. Weitere Anwendungsmöglichkeiten: Marketing, Medizin, Gaming oder Automobilindustrie.
Forschung
Luke Alphey (Großbritannien): Das Denguefieber breitet sich aus, für knapp die Hälfte der Weltbevölkerung besteht laut WHO die Gefahr, sich mit dem potenziell tödlichen Virus anzustecken. Hauptschuldige an der Verbreitung ist die ägyptische Tigermücke. Der britische Wissenschaftler hat die Grundlage für die erfolgreiche Bekämpfung des Überträgers mittels Genetik geschaffen - ganz ohne schädliche Nebenwirkungen von Insektiziden. Sie reguliert die Population der krankheitsübertragenden Stechmücken umweltfreundlich und nachhaltig.
Hendrik Marius Jonkers (Niederlande): Europas Infrastruktur besteht zu 70 Prozent aus Beton. Der Biobeton der Zukunft repariert spannungsbedingte Risse im Material selbst. Er enthält Bakterien, die bis zu 200 Jahre in einer Betonkonstruktion überleben können. Bei Schäden „erwachen" sie und produzieren den Beton heilenden Kalkstein. Selbstheilender Beton verringert sowohl die Kosten für die Betonherstellung und Instandhaltung, als auch die darauf zurückzuführende Emission von Kohlenstoffdioxid.
Ludwik Leibler et al. (Frankreich): Weniger Plastikmüll: Der promovierte Physiker entwickelte mit den Vitrimeren die erste umweltfreundliche Kunststoffklasse. Das neue Material kombiniert die Robustheit von Duroplasten mit der Verformbarkeit von erhitztem Glas. Damit leistet er einen entscheidenden Beitrag in der Polymerforschung. Zahlreiche Industriezweige sind interessiert: Der neue glasartige Kunststoff lässt sich unter Hitze einfach reparieren und ist recycelbar. Vitrimere können durch Erhitzen zudem wie Metalle verschweißt werden, was komplexe Objektformen zulässt, welche mit der Gusstechnik unmöglich herzustellen oder zu teuer wären.
Außereuropäische Länder
Ian Frazer, Jian Zhou (Australien/ China): Wirksame Impfung gegen den Gebärmutterhalskrebs. Diese gefährliche Erkrankung von Frauen kann dank der weltweit ersten Impfung gegen den HPV (Papilloma)-Virus vermieden werden. Besonders in Entwicklungsländern ohne medizinische Vorsorgemöglichkeiten hat der Impfstoff bereits zahlreichen Frauen das Leben gerettet. In den westlichen Ländern ist die Impfung für junge Frauen im Alter von neun bis 25 Jahren mittlerweile Standard.
Sumio Iijima, Akira Koshio, Masako Yudasaka (Japan): Sie machen Computer schneller, Solarmodule effizienter und Automobil- und Flugzeugteile stabiler: Kohlenstoffnanoröhren bergen ein enormes wirtschaftliches Potenzial. Noch steht die industrielle Anwendung der winzig kleinen Teilchen erst am Anfang. Das japanische Forscherteam um Iijima, dem Entdecker der bis dahin unbekannten Strukturform von Kohlenstoff, entwickelte einen Herstellungsprozess, der die Nanopartikel sogar für die Biomedizin anwendbar macht.
Elizabeth Holmes (USA): Vereinfachtes System für Bluttests: Ein Pieks in den Finger genügt, um genügend Blut für umfangreiche Tests zu erhalten. Mit dieser winzigen Menge Blut können dann zahlreiche Analysen durchgeführt werden - in wenigen Stunden. Das Verfahren, das Holmes mit ihrem Unternehmen Theranos inzwischen für zur Massenmarkt-Tauglichkeit entwickelt hat, ist schmerzfrei und kostet sehr viel weniger als herkömmliche Verfahren. Die heute 31-Jährige verließ mit 19 Jahren die Universität, um sich ganz ihrer Erfindung zu widmen. Mit Erfolg: Laut Forbes-Liste ist Holmes die jüngste Milliardärin der USA.
Lebenswerk
Ivars Kalvins (Lettland): Mit rund 260 Erfindungen und über 900 Patenten und Patentanmeldungen ist Ivars Kalvins einer der erfolgreichsten Wissenschaftler und Erfinder in der medizinischen Biochemie. Überzeugt von der Idee, dass kleine organische Moleküle über Prävention und Heilung von Krankheiten entscheiden, entwickelte Kalvins eine neue Generation von Wirkstoffen auf der Basis natürlicher organischer Verbindungen, die bei Herzerkrankungen, Schlaganfällen, Tinnitus, Alzheimer und chronischen Schmerzen genauso erfolgreich zum Einsatz gelangen wie im Kampf gegen den Krebs.
Kornelis A. Schouhamer Immink (Niederlande): Der Schlüssel zur digitalen Revolution - Kornelis „Kees" Schouhamer Immink gilt als Vater von CD, DVD und der Blu-ray Disc, für die er den bis heute verwendeten Codierungsstandard entwickelt hat. Dank ihm speichert die Compact Disc deutlich größere Datenmengen und verfügt über eine bessere Klangqualität, Haltbarkeit und Benutzerfreundlichkeit als die herkömmliche Schallplatte. Insgesamt gehen über tausend Patente in diesem Bereich auf Immink zurück.
Andreas Manz (Schweiz): Ein ganzes Labor auf Mikrochip. Andreas Manz ist ein Pionier auf dem Forschungsgebiet der Mikrofluidik und geistiger Vater der Chiplabor-Technologie, mit der sich Laborprozesse im Miniaturformat auf einem winzigen Träger so verwirklichen lassen, dass sie innerhalb von Sekunden Ergebnisse liefern. Die Folgeentwicklungen dieser Technologie, für die Manz dank seines Erfindungsreichtums die Grundlagen schuf, kommen heute weltweit zum Einsatz -ob in Forschungseinrichtungen, wo diese etwa in der Gen- und Zellanalyse breite Anwendung findet oder in modernen Glucose-Messeinheiten, die Diabetikern täglich das Leben erleichtern. Genauso bahnbrechend ist die Nutzung der Technologie für Schnelltests zur Prävention von Erbkrankheiten per USB-Stick.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist der wichtigste Preis für Innovation in Europa. Er wird seit 2006 jährlich vom Europäischen Patentamt (EPA) verliehen. In diesem Jahr findet die insgesamt 10. Preisverleihung am 11. Juni in Paris statt. Auch die Öffentlichkeit ist eingeladen, an der Preisverleihung mitzuwirken: Sie bestimmt per Online-Voting den Gewinner des Publikumspreises unter den 15 Finalisten.
Mit dem Preis werden einzelne Erfinder und Teams von Erfindern ausgezeichnet, die mit ihren Entwicklungen dazu beitragen, technische Antworten auf die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit zu finden. Eine internationale hochkarätig besetzte Jury prüft dabei, inwieweit diese Erfinder mit ihrer Arbeit zu gesellschaftlichem Fortschritt, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Wohlstand in Europa beigetragen haben.
Über das EPA
Mit mehr als 7 000 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) ist eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München, Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten auf dem Gebiet des Patentwesens zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder Patentschutz in bis zu 38 Mitgliedstaaten erlangen. Das EPA ist überdies die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
Weitere Informationen, Fotos, Videos, zum Europäischen Erfinderpreis finden Sie hier. Smart TV-Nutzer können die Gala am 11. Juni live über Innovation TV verfolgen.
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