Wirksame Waffe gegen Gebärmutterhalskrebs: Ian Frazer und Jian Zhou als Finalisten für Europäischen Erfinderpreis 2015 nominiert
- Europäisches Patentamt (EPA) nominiert australischen Immunologen Ian Frazer und seinen verstorbenen chinesischen Miterfinder Jian Zhou
- Gardasil - erster Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs
- Wird in 120 Ländern eingesetzt und wurde bislang mehr als 125 Millionen Mal verabreicht
- EPA-Präsident Battistelli: „Ihre Erfindung hat zahllose Leben gerettet und wird auch in Zukunft viele Frauen vor dieser gefährlichen Krebsart schützen."
München/ Brisbane, 21. April 2015 -- Mehr als 530.000 Frauen weltweit erhalten jedes Jahr die schreckliche Diagnose Gebärmutterhalskrebs. Damit ist dies die zweithäufigste Krebserkrankung bei Frauen - und eine der gefährlichsten. Nach Angaben der WHO starben allein 2013 rund 275.000 Frauen an den Folgen der Krankheit. Aber es gibt Hoffnung: Der australische Immunologe Ian Frazer und sein 1999 verstorbener chinesischer Kollege Jian Zhou entwickelten einen Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs. Der bahnbrechende Ansatz dieser Methode stellt die Prävention in den Vordergrund, die gerade für Frauen ohne regelmäßigen Zugang zu medizinischer Versorgung lebensrettend sein kann.
Für diese Leistung wurden Ian Frazer und Jian Zhou als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2015 in der Kategorie „Nicht-europäische Staaten" nominiert. Am 11. Juni 2015 wird die begehrte Auszeichnung im Rahmen eines Festakts in Paris zum zehnten Mal verliehen.
„Ian Frazer und Jian Zhou sind Pioniere der modernen Medizin. Sie haben in ihrem Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs die Ursache der Erkrankung in den Fokus gerückt", sagte EPA-Präsident Benoȋt Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten. „Die Entwicklung eines Impfstoffs hat nicht nur viele Frauen vor langwierigen und schmerzhaften Behandlungen wie Operationen oder Chemotherapie bewahrt, sondern auch zahllose Leben gerettet."
Impfstoff bietet vollen Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs
Der in Schottland geborene Ian Frazer nutzte für seine wegweisende Entwicklung die Forschungsergebnissen des deutschen Mediziners und Nobelpreisträgers Harald zur Hausen. Weil die Fachwelt lange Zeit in Herpesviren den Auslöser für Gebärmutterhalskrebs vermutete, sorgte zur Hausen 1976 für einen Paukenschlag, als er dem humanen Papillomvirus (HPV) erstmals eine Rolle bei der Entstehung dieser Krankheit zuwies. Das sexuell übertragbare Virus führt zur Infektion von Haut- und Schleimhautgewebe, was im schlimmsten Fall Gebärmutterhalskrebs hervorrufen kann. Anfang der 1980er Jahre identifizierte der Forscher schließlich die sogenannten „Hochrisiko"-HPV-Typen - vor allem HPV 16 und HPV 18 - als Hauptursache für mehr als 70 Prozent aller Gebärmutterhalstumore sowie verschiedener anderer Krebsarten bei Männern und Frauen.
Diese Erkenntnis sollte Ian Frazer in den Mittelpunkt seiner Forschung stellen. Bereits 1985, kurz nach seiner Übersiedelung nach Australien, gründete er die weltweit erste Forschungsgruppe, die sich ausschließlich auf diese Krankheit spezialisierte, um einen Impfstoff zu entwickeln. Es erwies sich allerdings als unmöglich, HPV im Labor zu kultivieren und somit einen Impfstoff auf der Grundlage lebender viraler Elemente herzustellen. Erst nach vielen Jahren der Experimente und Rückschläge gelang es Ian Frazer und Jian Zhou, die HPV-Oberflächenproteine auf einem anderen Virus, das als Vorlage diente, zu klonen. Das menschliche Immunsystem reagiert auf diese ungefährlichen virusähnlichen Partikel und bildet Antikörper, was zur Immunität führt. Der daraus resultierende Impfstoff bietet einen umfassenden Schutz vor den gefährlichen HPV-Typen 16 und 18.
Von den ersten Erfolgen bis zur Markteinführung des Impfstoffs vergingen fast fünfzehn Jahre. 1991 reichten die beiden Forscher in Australien eine Patentanmeldung für die fehlende Verbindung zwischen dem echten Virus und dem künstlich hergestellten Stellvertreter ein. Diese erwies sich als Meilenstein für die heute weit verbreiteten HPV-Impfstoffe.
1995 begannen Frazer und Zhou ihre Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Pharmaunternehmen Merck & Co für die Entwicklung des Impfstoffes unter dem Namen Gardasil. Nach drei Jahren Prüfungsphase schlossen die Forscher 1998 die ersten Studien am Menschen zu Gardasil mit hervorragenden Ergebnissen ab. Mit einem Zyklus von drei Injektionen ist der volle Schutz gegen HPV für bis zu fünf Jahre gegeben. Dadurch wird verhindert, dass sich lokale Veränderungen im Gewebe des Gebärmutterhalses bilden, in denen eine Entstehung von Krebs wahrscheinlicher ist als in normalem Gewebe (präkanzeröse Läsionen). Nachdem Jian Zhou 1999 im Alter von 42 Jahren unerwartet verstorben war, setzte Ian Frazer die gemeinsame Arbeit fort und brachte den Impfstoff schließlich zur Marktreife.
Frazer war Gründungsgeschäftsführer und Forschungsdirektor am Translational Research Institute in Brisbane, wo er sich noch heute der Erforschung von therapeutischen Impfstoffen für bereits mit HPV infizierten Patientinnen widmet. Diese Impfstoffe befinden sich derzeit in der klinischen Prüfungsphase. Das Institut begründete sich auf Frazers Weitsicht und Entschlossenheit, andere Forscher in der Umsetzung ihrer Entdeckungen zum gesundheitlichen Nutzen weltweit zu unterstützen.
HPV-Impfung wird zum Standard
Gardasil wurde 2006 von der amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) autorisiert. Mittlerweile wird der Impfstoff in 120 Ländern eingesetzt und wurde über 125 Millionen Mal verabreicht. Gardasil erzielte 2013 einen weltweiten Umsatz von rund 1,49 Milliarden Euro. Im Dezember 2014 ließ die FDA den Nachfolger von Gardasil in den USA zu, und im März 2015 erhielt dieser Impfstoff auch die vorläufige Zulassung in der EU. Er soll gegen neun unterschiedliche HPV-Stämme schützen und wird Schätzungen zufolge bis 2018 einen Umsatz von rund 1,55 Milliarden Euro erreichen. Das britische Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline stellt mit Cervarix einen ebenfalls weit verbreiteten Impfstoff auf der Grundlage von Frazers und Zhous Verfahren her.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die Gesundheitsbehörden in Australien, Kanada, Europa und den USA empfehlen die Impfung gegen HPV für junge Frauen im Alter von neun bis 25 Jahren. In den meisten entwickelten Ländern gibt es inzwischen staatlich finanzierte Gesundheitsprogramme an Schulen oder in Kommunen für Mädchen im Alter von 12 - 14 Jahren. Australien betreibt auch ein öffentliches Gesundheitsprogramm für Jungen, da HPV bei Männern ebenfalls Krebs verursachen kann.
Günstiger Impfschutz für Entwicklungsländer
In der westlichen Welt lässt sich Gebärmutterhalskrebs bei rechtzeitiger Diagnose in der Regel gut behandeln, weshalb nur wenige Frauen an den Folgen der Erkrankung sterben. In Entwicklungsländern sieht das jedoch anders aus: Nach Angaben der WHO treten rund 85 Prozent aller Todesfälle in Ländern mit geringem oder mittlerem Einkommen auf. Vor diesem Hintergrund verzichtet die University of Queensland in 72 Entwicklungsländern auf Lizenzgebühren für den Verkauf von Gardasil. Gerade für Regionen ohne medizinische Grundversorgung - und damit ohne präventive Diagnoseverfahren - bedeutet der Impfstoff einen entscheidenden Fortschritt im Kampf gegen den Krebs.
Medien- und Servicepaket zu Ian Frazer und Jian Zhou:
- Über die Erfinder
- Der Blick auf die Patente EP0595935, EP0750669, EP1002091, EP1144005, EP1325957, EP1359156
Behandlung der Ursachen statt der Symptome
Schon vor der bahnbrechenden Entdeckung durch Harald zur Hausen hatten Forscher das krebsauslösende Potenzial bestimmter Viren identifiziert, darunter das Epstein-Barr-Virus (EBV), das Hepatitis B-Virus und das humane T-Zell-lymphotrope Virus1.
Aus medizinischer Sicht bedingt ein Zusammenhang zwischen einem Virus und einer Krebserkrankung eine vollständig neue Herangehensweise: Statt sich auf präventives Screening zu verlassen oder die Behandlung einzuleiten, nachdem bei den Patienten Krebssymptome aufgetreten sind, können Ärzte krebsauslösenden Viren einen Riegel vorschieben. Dafür benötigt man einen Impfstoff gegen HPV.
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