Von Kyoto bis Paris: Erfindungsboom bei Klimaschutztechnologien
- Laut einem neuen Bericht hat sich die Zahl der Erfindungen im Bereich der nachhaltigen Technologien weltweit von 1995 bis 2011 fast verfünffacht
- Erste umfassende Analyse der Patent- und Wirtschaftsdaten zu Klimaschutztechnologien (KST) in Europa
- Aus Europa kommen 18 % der Erfindungen im Bereich Klimaschutz und 40 % der KST-Erfindungen mit hohem Wert, also der Erfindungen, für die Patentschutz in mehr als einem Land beantragt wurde
- Staatliche Maßnahmen bewirken einen Innovationsschub bei den Klimaschutztechnologien, mit deren Hilfe die Wirtschaft dekarbonisiert werden soll
- UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner: "Der Klimawandel ist heute eine echte globale Herausforderung, die alle Aspekte der sozioökonomischen Entwicklung in jeder Region der Erde betrifft."
- EPA-Präsident Battistelli: "Das Patentsystem spielt eine wichtige Rolle für die Förderung von Forschung, Entwicklung und Innovation sowie die Unterstützung von Handels- und Investitionsströmen und den Transfer neuer Klimaschutztechnologien in alle Regionen."
Paris/München, 8. Dezember 2015 - Eine neue Studie des Europäischen Patentamts (EPA) und des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zeigt, dass sich die Zahl der Erfindungen im Bereich der Klimaschutztechnologien weltweit zwischen 1995 und 2011 verfünffacht hat. Aus der Studie geht auch hervor, dass Europa bei Erfindungen in kohlenstoffarmen Technologien eine Führungsrolle spielt.
"Der Klimawandel ist heute eine echte globale Herausforderung, die alle Aspekte der sozioökonomischen Entwicklung in jeder Region der Erde betrifft", sagte Achim Steiner, Untergeneralsekretär bei den Vereinten Nationen und UNEP-Exekutivdirektor. "Dieser Bericht vermittelt ein klares und umfassendes Bild davon, welchen Beitrag Europa zur Entwicklung und Verbreitung von Klimaschutztechnologien leistet. Es ist zu hoffen, dass diese Fülle an Daten als hilfreiche Grundlage für eine konstruktive politische Debatte in Technologiefragen dienen kann."
"Damit die globalen Herausforderungen des Klimawandels bewältigt werden können, bedarf es dringend neuer Technologien", so EPA-Präsident Benoît Battistelli. "Wie der Bericht zeigt, trägt das Patentsystem in Kombination mit einer zielgerichteten Gesetzgebung und Politik zum Ausbau von Klimaschutztechnologien dazu bei, Forschung, Entwicklung und Innovation auf diesem Gebiet zu stärken und gleichzeitig Handels- und Investitionsströme sowie den Transfer dieser neuen Technologien in andere Regionen anzukurbeln."
Grüne Technologien im Aufwind
Aus dem Bericht, der auf dem - parallel zur 21. UN-Klimakonferenz in Paris stattfindenden - Sustainable Innovation Forum 2015 vorgestellt wurde, geht hervor, dass die Erfindungstätigkeit im Bereich Klimaschutztechnologien seit der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls 1997 weltweit kontinuierlich zugenommen hat (Schaubild 1: Innovationsboom bei grünen Technologien). Zu diesem Innovationsschub dürfte auch die Einführung von Klimaschutzmaßnahmen maßgeblich beigetragen haben. Die Zahl der Erfindungen im Bereich Klimaschutztechnologien ist wesentlich stärker angestiegen als jene der Erfindungen in anderen Technologiebereichen, sodass sie heute fast 6 % der weltweiten Erfindungstätigkeit ausmachen (gegenüber 2 % im Jahr 1995). Die nach der Unterzeichnung des Kyoto-Protokolls vorgenommene politische Weichenstellung hat offenbar in Europa die Entwicklung der Klimaschutztechnologien besonders vorangetrieben. Infolgedessen sind in Europa die CO2-Emissionen in Relation zum BIP in den vergangenen Jahrzehnten um 30 % zurückgegangen (Schaubild 2: KST-Erfindungen und CO2-Emissionen in Europa), sodass Europa in dieser Hinsicht seit 2000 die niedrigsten Werte von allen entwickelten Industrieregionen aufweist.
Ein Markt für Klimaschutztechnologien
Der Studie zufolge nimmt Europa bei den technischen Fortschritten auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft eine Führungsrolle ein: Aus Europa stammt nahezu ein Fünftel aller weltweiten Erfindungen in diesem Bereich. Bezogen auf die Erfindungen mit hohem Wert - also Innovationen mit einem größeren wirtschaftlichen Potenzial, für die deshalb in mehr als nur einem Land Patentschutz beantragt wird - tragen die Europäer nahezu zwei Fünftel bei.
Europa leistet dabei in sämtlichen Segmenten der Klimaschutztechnologien einen signifikanten Beitrag (Schaubild 3: europäische KST-Erfindungen nach Technologiesektoren), wobei der größte Anteil der europäischen (wie auch der weltweiten) Erfindungen auf die Gebiete saubere Energietechnologien und Verkehr entfällt, gefolgt vom Bauwesen. Ein Vergleich der KST-Erfindungen mit den Erfindungen auf sämtlichen Gebieten der Technik zeigt, dass sich Europa seit 1995 zunehmend auf dieses Segment spezialisiert hat und nun weltweit zu den Spitzenreitern bei kohlenstoffarmen Technologien zählt.
Mehr als 80 % der europäischen Erfindungen in nachhaltigen Technologien gehen auf sechs Länder zurück, wobei Deutschland mit knapp der Hälfte der KST-Erfindungen in Europa das Ranking anführt. Auf dem zweiten Platz liegt Frankreich, gefolgt von Großbritannien, Italien, Schweden und Spanien (Schaubild 4: europäische KST-Erfindungen nach Ländern). In Relation zur Wirtschaftskraft liegt Deutschland ebenfalls an erster Stelle, gefolgt von Schweden, Frankreich, Finnland, Österreich und Dänemark (Schaubild 5: europäische KST-Erfindungen nach BIP). Gleichzeitig ist auch in anderen Ländern wie Griechenland und Portugal eine hochgradige Spezialisierung auf Klimaschutztechnologien zu erkennen (Schaubild 6: Grad der Spezialisierung auf KST in europäischen Ländern).
Außerdem ist Europa ein starker Handelspartner für kohlenstoffarme Produkte: im betrachteten Zeitraum war es der größte Importeur und zweitgrößte Exporteur solcher Erzeugnisse. Gleichzeitig war Europa mit Investitionen auf allen Kontinenten eine der wichtigsten Quellen ausländischer Direktinvestitionen im Bereich Klimaschutztechnologien. Wie die Studie deutlich macht, gehen grenzüberschreitende Patentanmeldungen auf diesem Gebiet einher mit Handel und Auslandsinvestitionen, was wiederum den internationalen Technologietransfer über diese Kanäle fördert.
Umfassende Informationsquelle zu grünen Technologien
Trends und Statistiken zur Patentierungstätigkeit sind ein wichtiger Frühindikator für kommende technologische und wirtschaftliche Entwicklungen. Auf Wunsch von Organisationen, die sich aktiv mit Themen des Klimawandels auseinandersetzen, hat das EPA ein spezielles Indizierungssystem für Patentdokumente im Zusammenhang mit Klimaschutztechnologien entwickelt. Es trägt erheblich zur Transparenz bei und erleichtert den Nutzern - seien es Unternehmen, Ingenieure, Wissenschaftler, Institutionen oder politische Entscheidungsträger - die Recherche in der Fülle von Daten in den kostenlosen Patentdatenbanken des EPA. Die neue Klassifizierung ermöglicht es in Verbindung mit Patentstatistiktools (wie der EPA-Datenbank PATSTAT), nachhaltige Technologien zuzuordnen und Trends zu identifizieren und liefert damit Grundlagen für die Entscheidungsfindung im öffentlichen Sektor und in der Privatwirtschaft. Dieses Klassifikationssystem wurde vom EPA vor kurzem fertiggestellt und deckt alle Klimaschutztechnologien ab - von sauberer Energie und CO2-Abscheidung über nachhaltige Erfindungen im Bauwesen und im Transportbereich sowie in der Produktion und der Abfallwirtschaft bis hin zu intelligenten Netzen. Die Datenbanken enthalten mit derzeit rund 2,8 Millionen Dokumenten zu nachhaltigen Technologien den weltweit größten Datenbestand auf diesem Gebiet.
EPA-UNEP: Datengrundlage für die Debatte
Seit 2009 hat das EPA gemeinsam mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen eine Reihe von Studien mit dem Ziel durchgeführt, eine fundierte Debatte über die Rolle von Patenten bei der Entwicklung und Bereitstellung von nachhaltigen Technologien zu fördern. Dem aktuellen Bericht "Klimaschutztechnologien in Europa - Folgerungen aus Patent- und Wirtschaftsdaten" gingen drei weitere voraus: "Patente und Klimaschutztechnologien in Lateinamerika und der Karibik" (2014), "Patente und saubere Energietechnologien in Afrika" (2013) und "Patente und saubere Energietechnologien" (2010).
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- Vollständiger Bericht: Climate change mitigation technologies in Europe - evidence from patent and economic data (December 2015) (En) (PDF, 3.9 MB)
- Zusammenfassung des Berichts (En/Fr/De) (PDF, 538 KB)
- Broschüre (Kurzzusammenfassung des Europaberichts): Five facts about climate change, innovation and the role of patents (En) (PDF, 1.1 MB)
- Broschüre (Zusammenfassung aller EPA-UNEP-Berichte): Patents and climate change mitigation technologies: evidence to support policy (En) (PDF, 1.5 MB)
Über das EPA
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit rund 7 000 Mitarbeitern eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder Patentschutz in bis zu 38 EPO-Mitgliedsstaaten erlangen. Das EPA ist überdies die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
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