Sicherer Zugang trotz wogender See: Jan van der Tempel als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert
- Der niederländische Erfinder ist für sein bewegungsausgleichendes Offshore-Zugangssystem für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Seine Technologie verbindet Schiffe mit schwimmenden und stationären Offshore-Anlagen, wie z. B. Windturbinen, und gleicht dabei die Schiffsbewegungen aus, um den sicheren und schnellen Transfer von Arbeitern und Fracht selbst bei gefährlichem Wetter zu gewährleisten
- Innovation ermöglicht sichereren, effizienteren und zuverlässigeren Offshore-Zugang
München, 4. Mai 2021 - Das Europäische Patentamt (EPA) hat die Nominierung des niederländischen Ingenieurs, Unternehmers und Erfinders Jan van der Tempel für den Europäischen Erfinderpreis 2021 bekanntgegeben. Der Finalist in der Kategorie „Industrie" hat ein System für den Transfer von Arbeitern und Fracht zwischen Schiffen und stationären Offshore-Anlagen entwickelt, das Wellenbewegungen kompensiert und damit für mehr Sicherheit auf hoher See sorgt.
Van der Tempel machte seine Erfindung dem breiten Markt zugänglich, indem er ein akademisches Spin-Off gründete, welches er zu einem Unternehmen ausbaute, mit dem er weltweit bewegungsausgleichende Offshore-Zugangssysteme und -Dienstleistungen betreibt bzw. anbietet. Seine Technologie wird inzwischen in mehr als 65 solcher Systeme weltweit genutzt. Dadurch konnten bis heute über sechs Millionen Offshore-Arbeiter und 17 Millionen Kilogramm Fracht erfolgreich transferiert werden.
„Jan van der Tempel hat nicht nur innovative technische Lösungen für die Offshore-Industrie entwickelt, sondern auch die Sicherheit für die in diesem Sektor arbeitenden Menschen verbessert, für mehr Effizienz gesorgt und die Kosten für die Betreiber gesenkt", so EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2021. „Das Patentsystem unterstützt Erfinder wie Van der Tempel, der sein Unternehmen zu einem weltweit führenden Anbieter im Offshore-Transferbereich machen konnte, indem eine technische Innovation mit einem wirkungsvollen Schutzrecht ausgestattet wurde."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni 2021 im Rahmen einer Gala bekannt gegeben, die in diesem Jahr als virtuelle Veranstaltung für ein weltweites Publikum neu konzipiert wurde.
Die Neugestaltung des Offshore-Zugangs
Schiffsbewegungen können das Übersetzen auf eine feststehende Offshore-Anlage, wie zum Beispiel eine Windturbine oder eine Ölplattform, erschweren. Wellen sind nicht vorhersehbar, Schiffe bewegen sich daher oft plötzlich und unvermutet. Die Folge: der Offshore-Zugang gerät zum Risiko. Unbeständiges Wetter kann für weitere Komplikationen sorgen und führt sogar in vielen Fällen dazu, dass Transfers ganz abgesagt werden müssen, was die Betreiber von Offshore-Anlagen wiederum Zeit und Geld kostet. Ein stabiles Gangway-System löst diese Problematik auf - die Idee dazu kam dem Offshore-Windingenieur Van der Tempel bei einer Offshore-Wind-Konferenz in Berlin. Seine Technologie nannte er daher „Ampelmann" nach den berühmten Figuren auf den Berliner Fußgängerampeln. Van der Tempel stellte sich eine Art umgekehrten Flugsimulator auf Schiffen vor: Anstatt Bewegungen zu simulieren, die den computergenerierten Bildern in einer stationären Umgebung entsprechen, konzentrierte er sich auf eine Technologie, die Stabilität in einer turbulenten Umgebung erzeugt.
Aus dieser ursprünglichen Idee entstand Van der Tempels Transfersystem, das wie eine Fluggastbrücke als Verbindung zwischen Flugzeug und Flughafengebäude funktioniert. Personal kann damit „zu Fuß zur Arbeit" auf Offshore-Anlagen gehen und auch Vorräte sind - selbst bei gefährlichen Wetterbedingungen - leicht zu transportieren. Van der Tempels Technologie erfasst und überwacht die Bewegung des Schiffes. Dafür wird ein schuhkartongroßer Bewegungssensor, der mit einem leistungsstarken Computersystem verbunden ist, auf dem Schiff installiert, damit Bewegungen exakt und schnell gemessen werden können. Diese Daten werden an sechs Hydraulikzylinder an der Basis der Transferplattform weitergeleitet, die sofort ihre Höhe anpassen, um jede Bewegung auszugleichen. Auf diese Weise bewegt sich die Transferplattform selbst dann nicht, wenn das Schiff durch Wellen und Wind hin und her geschaukelt wird, und bietet eine sichere Verbindung zur Offshore-Anlage.
Die Transferplattform kann auf jedem Schiff oder jeder schwimmenden Struktur innerhalb von rund acht Stunden installiert werden. Das System eignet sich für Windgeschwindigkeiten von bis zu 60 Kilometern pro Stunde und Wellen von bis zu vier Metern. Dies verringert wetterbedingte Ausfälle und reduziert teure und potenziell riskante Hubschraubertransfers, für die das Personal zudem ein spezielles Sicherheitstraining absolvieren muss. Darüber hinaus operiert das System mit einem Backup für jede Komponente. Im Falle eines Systemausfalls wird so der Betrieb vor dem Stillstand für bis zu eine Minute lang fortgesetzt, damit Mitarbeiter genügend Zeit haben, sich in Sicherheit zu bringen. Laut Van der Tempel wird der Weg zur Arbeit auf Offshore-Anlagen für das Personal damit so einfach, als müssten sie nur die Straße überqueren.
Nach der erfolgreichen Entwicklung eines Prototyps an der TU Delft nutzte Van der Tempel das Patentsystem, um seine Erfindung zu schützen. Ein erstes europäisches Patent wurde ihm 2012 erteilt, ein zweites 2014. „Unsere Lösung ist die einzige mit Zylindern, die in sechs Richtungen arbeiten und mit nur Millisekunden Verzögerung einen komplett ruhenden Punkt erreichen", erläutert Van der Tempel. „Das Patent sicherte den Schutz dieses Konzepts und verschaffte unserem Unternehmen einen enormen Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz. Wir konnten wachsen, das Vertrauen der Kunden gewinnen und unser Unternehmen zu dem machen, was es heute ist."
Vom akademischen Spin-Off zum Branchenführer
Ursprünglich plante Van der Tempel nur, die Technologie zu entwickeln und die Konstruktion und den Betrieb des Offshore-Zugangssystems einem anderen Unternehmen zu überlassen. Da sich jedoch keine Firma finden ließ, die interessiert oder in der Lage war, das kommerzielle Potenzial der Erfindung wirklich zu erkennen, baute er schließlich mithilfe eines mit der TU Delft kooperierenden Inkubators sein eigenes Unternehmen auf. Ampelmann Operations wurde 2007 gegründet und entwickelte sich in knapp zehn Jahren zu einem bedeutenden Global Player im Markt für Offshore-Zugangssysteme. Da ein Großteil der Entwicklung innerhalb des Inkubators stattfand, war die Expansion des Geschäfts mit einem relativ geringen Kapitalaufwand möglich. Abgesehen von Darlehen seitens der niederländischen Regierung waren keine großen externen Investitionen erforderlich. Laut Van der Tempel konnte Ampelmann fast von Anfang an seinen eigenen Cashflow generieren, was dem Unternehmen half, schnell zu wachsen und seine Größe in den ersten sechs Jahren jährlich zu verdoppeln. Aktuell betreibt das Unternehmen weltweit über 65 bewegungsausgleichende Offshore-Zugangssysteme, mit denen bisher über sechs Millionen Offshore-Arbeiter und weltweit 17 Millionen Kilogramm Fracht erfolgreich übersetzen konnten.
Die meisten Projekte von Ampelmann Operations sind in der Öl- und Gasindustrie angesiedelt. Das Unternehmen verzeichnet aber auch eine Erfolgsbilanz im Bereich der Offshore-Windparks, einem Sektor, für den bis 2050 ein erhebliches Wachstum prognostiziert wird. Die Kosten für den Betrieb und die Wartung von Turbinen stellen hier für Unternehmen die größten Ausgaben dar. Dazu kommen entgangene Einnahmen aufgrund von Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Reparatur der Offshore-Turbinen. Mit seinem Unternehmen kann van der Tempel diese Kosten reduzieren. Es wird davon ausgegangen, dass der weltweite Markt für den Betrieb und die Wartung von Offshore-Windparks bis 2028 um 17 % auf über 11 Milliarden Euro wachsen wird, und Ampelmann Operations ist gut aufgestellt, um von der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen zu profitieren.
Informationen zum Erfinder
Jan van der Tempel wurde 1974 in den Niederlanden geboren und promovierte an der Technischen Universität Delft (TU Delft) zum Thema Design von Tragstrukturen für Offshore-Windkraftanlagen. 2007 gründete er Ampelmann Operations B.V.. Zwischen 2015 und 2017 trat er für zwei Jahre von seiner Position als CEO zurück, um die De Oude Bibliotheek Academy (DOB Academy) zu gründen - ein Institut, das Fachleute speziell im Bereich Offshore-Energie ausbildet - sowie DOT zu starten, ein Start-up für neuartige Offshore Windturbinen. 2018 wurde Van der Tempel in Anerkennung seiner nationalen und internationalen Verdienste um die Offshore-Industrie zum Ehrenmitglied der Royal Netherlands Society of Engineers ernannt.
Jan van der Tempel hält vier europäische Patente (EP1993902, EP2603422, EP3523536 und EP3635252), die 2012, 2013, 2019 und 2029 erteilt wurden.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische
Erfinderpreis ist einer der
renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben
gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende
Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit
geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus
Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft
die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur
gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung
von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien (Industrie,
Forschung, KMU, Nicht-EPO Staaten und Lebenswerk) verliehen. Der Gewinner des Publikumspreises
wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten über ein Online-Voting
ermittelt.
Über das EPA
Mit 6 400 Bediensteten ist das Europäische
Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das
seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag
und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den
Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des
zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen
Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund
700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den
Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
EPA-Pressekontakt
Luis
Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation, Sprecher
Tel.: +49 89
2399 1203