Flexible Solarzellentechnologie für selbstaufladende Geräte: Henrik Lindström und Giovanni Fili als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2021 nominiert
- Weiterentwicklung von Farbstoffsolarzellen („DSSC") für das Drucken großer, leistungsstarker Solarzellen in fast jeder Form: Schwedische Erfinder für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
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Henrik Lindström und Giovanni Fili erfanden ein neues
Elektrodenmaterial mit
1 000-fach besserer Leitfähigkeit, das unter die lichtabsorbierende Oberfläche der Solarzelle geschichtet wird - Das Solarzellenmaterial eignet sich hervorragend zur Elektrizitätsgewinnung in Innenräumen und soll noch in diesem Jahr in selbstaufladenden elektronischen Geräten auf den Markt kommen
München, 4. Mai 2021 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt die Nominierung der schwedischen Erfinder Henrik Lindström und Giovanni Fili als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2021 in der Kategorie „KMU" (Kleine und mittlere Unternehmen) für ihre effiziente und vielseitige Farbstoffsolarzelle („DSSC"-Solarzelle) bekannt. Diese neue Solarzellentechnologie wird in Verbraucherprodukte integriert und schafft damit ein neues Segment von selbstaufladenden elektronischen Geräten, die Strom aus allen Arten von Licht sowohl in Innenräumen als auch im Freien erzeugen können.
Das neue farbstoffsensible Material ist dünn, flexibel und langlebig und wird über das Unternehmen der Erfinder in Stockholm vermarktet. Ihre Innovation ist ein Supraleiter im Inneren der Zelle, der den Freiformdruck ermöglicht, um das sogenannte PowerfoyleTM-Solarmaterial in verschiedenen Texturen, Formen und Farben herzustellen. Das Unternehmen plant, das Material in diversen Produkten einzuführen, wie in Fahrradhelmen mit selbstaufladendem Licht sowie in selbstaufladenden Kopfhörern.
„Die Erfindung von Lindström und Fili ebnet den Weg für die Entwicklung einer neuen Generation von selbstaufladenden elektronischen Geräten", sagt EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2021. „Die Patente, die ihre Technologie schützen, sind entscheidend dafür, ihre Produkte in einer Vielzahl von Märkten kommerziell nutzbar zu machen."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden am 17. Juni 2021 ab 19 Uhr im Rahmen einer Galaveranstaltung bekannt gegeben, die in diesem Jahr als virtuelles Event für ein weltweites Publikum neu konzipiert wurde.
Selbstaufladende Geräte
Silizium-Photovoltaik der ersten Generation ist in Solarmodulen die aktuell am schnellsten wachsende Energiequelle der Welt. Doch Photovoltaik der dritten Generation, wie die DSSC-Solarzellen, holen rapide auf. Diese Zellen verwenden kein teures Silizium, sind leichter, dünner und vielseitiger und werden aus allgemein verfügbaren und umweltfreundlichen Materialien hergestellt. Bisher haben jedoch Designfragen und der relativ niedrige Wirkungsgrad im Vergleich zur Silizium-Photovoltaik die Kommerzialisierung von DSSC-Solarzellen aufgehalten. Lindströms und Filis Erfindung und ihre neue farbstoffsensible Solarzellen-Architektur ist sowohl bei künstlichem Licht als auch bei Sonnenlicht effizienter und bietet gleichzeitig völlig neue Designmöglichkeiten für Kunden. Der Solarfilm, der die verbesserten Zellen enthält, kommt nun in selbstaufladenden elektronischen Geräten auf den Markt.
Fili war bereits in jungen Jahren unternehmerisch in verschiedenen Branchen wie Pharma und Immobilien tätig. 2008 beschloss er, in erneuerbare Energien zu investieren und gründete die Firma Exeger. Sein Ziel war es, die vielversprechenden farbstoffsensiblen Solarzellen zu kommerzialisieren, die 1988 von dem Schweizer Chemiker Michael Grätzel entwickelt wurden, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht kommerziell nutzbar waren.
Lindström hatte diese Technologie 1994 im Rahmen seiner Promotion an der Universität Uppsala gemeinsam mit Kollegen erfolgreich reproduziert. Ein Freund von Lindström schlug vor, dass er sich mit Fili treffen sollte. Lindström war von der Vision des Unternehmers überzeugt und wurde 2009 CTO des Start-ups. Der technische, konzeptgeleitete Wissenschaftler und der analytische, produktorientierte Unternehmer überlegten zunächst monatelang gemeinsam, wie man die DSSC-Technologie am besten vermarkten könnte.
Farbstoffsensible Solarzellen bestehen in der Regel aus einer transparenten Substratplatte, die mit einem leitfähigen Oxidmaterial (ITO) überzogen ist. Darunter liegt eine Schicht aus lichtempfindlichem Farbstoff, der Sonnenlicht absorbiert und Elektronen freisetzt. 2010 verhinderten die Kosten für diese Materialien noch die Weiterentwicklung. Doch das änderte sich mit einer bahnbrechenden Idee des Erfinder-Unternehmer-Duos.
„Ich habe früh erkannt, dass farbstoffsensible Solarzellen immenses Potenzial haben. Um aber den Sprung aus dem Labor hin zur Kommerzialisierung der Zellen zu schaffen, waren neue, bahnbrechende Innovationen sowohl in der Solarzellentechnologie als auch in der industriellen Fertigung erforderlich. Das Ersetzen der teuren und ineffizienten ITO-Schicht war daher der Schlüssel zur Neuerfindung dieser Solarzellentechnologie, auf der wir Exeger aufgebaut haben. Zwölf Jahre später konnten wir nun unsere ersten Produkte mit Partnern in Schweden ankündigen. Dies markiert den Beginn einer neuen Ära von Produkten, die sich selbst mit Energie versorgen, und in der Ladekabel obsolet werden und unsere Powerfoyle-Technologie wahrscheinlich zum neuen Standard wird", sagt Fili.
„Unsere Solarzelle verfügt über ein neues Elektrodenmaterial mit 1 000-fach höherer Leitfähigkeit, das es uns ermöglicht, große homogene Flächen in Freiform und mit unterschiedlichen Texturen zu drucken, ohne die elektrische Leistung zu beeinträchtigen. Die Besonderheit ist, dass sich die Elektrode erstmals direkt hinter der lichtabsorbierenden Schicht befindet, was bedeutet, dass mehr Licht die Zelle erreicht und mehr elektrischer Strom erzeugt wird. Die Solarzelle lässt sich daher nahtlos in fast jedes Produkt integrieren und bietet eine zuverlässige Energiequelle, egal ob bei Kunst- oder Sonnenlicht", erläutert Lindström seine Erfindung.
Nachdem das Konzept während eines Fluges auf einer Papierserviette skizziert worden war, ging es an die Arbeit. Um die lichtstehlende ITO-Schicht erfolgreich zu ersetzen, musste Lindström ein neues Elektrodenmaterial erfinden. Dieses Material mit einer viel höheren Leitfähigkeit, als dies bisher von der Solarzellenindustrie erreicht worden war, ist der Schlüssel, um alle Eigenschaften der neu entworfenen farbstoffsensiblen Solarzelle zu nutzen. Zunächst wurde die leitfähige Schicht von der Oberseite in das Innere der Solarzelle verlegt. Dies erhöhte die Lichtmenge, die den Farbstoff-Absorber erreicht, um 10 bis 20 Prozent. Die leitende Schicht ist leicht, flexibel, hitzebeständig und benötigt kein kostspieliges Gitter aus Silber, um die von der lichtabsorbierenden Schicht erzeugten Elektronen zu transportieren. In Kombination mit Siebdruck als gewähltem Herstellungsverfahren eröffnet dies völlig neue Möglichkeiten der Integration in das Design der Produkte, die mit der Solarzelle aufgeladen werden.
Während die besten Farbstoffsolarzellen eine Licht-in-Energie-Umwandlungseffizienz von etwa 13 Prozent im Freien und bis zu 30 Prozent in Innenräumen aufweisen, wird die Lichtumwandlungseffizienz der neuen Zelle mit einer 1 000-fach höheren Leitfähigkeit nicht genauer benannt. Die in den DSSC-Solarzellen von Lindström und Fili verwendeten Materialien sind in mehr als ausreichendem Maße vorhanden, nicht giftig und leicht zu beschaffen. Exeger meldete 2010 ein US-Patent für eine frühe Version der Technologie an, bevor 2011 das Grundlagenpatent für die DSSC-Solarzellen beantragt wurde.
Produktionsausbau der Solarfolie für selbstaufladende Geräte und Oberflächen
Als die Erfindung von Lindström und Fili 2013 in Produktion ging, wurde das zuvor unter NLAB Solar firmierende Unternehmen in Exeger umbenannt. Die Pilotfabrik in Stockholm ging 2014 in den Probebetrieb und 2018 wurde dem Unternehmen ein europäisches Patent für die Erfindung erteilt. Fili gelang es bereits in der Anfangsphase, Investoren zu interessieren. Der Patentschutz war allerdings entscheidend, um zukünftigen Investitionspartnern Sicherheit zu bieten und die langfristige kommerzielle Unabhängigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. „Alles basiert auf der Patentfamilie rund um die supraleitende Schicht, die Henrik erfunden hat und in unserer Branche revolutionär ist", sagt Fili.
Nach jahrelanger Verfeinerung der Produktionsprozesse und gemeinsamer Arbeit an Produktideen mit potenziellen Kunden erhielt Exeger 2019 in drei Finanzierungsrunden rund 40 Millionen Euro an Investitionen. 20 Millionen davon entfielen auf die japanische SoftBank-Gruppe, mit der Exeger eine strategische Partnerschaft einging, um die globale Einführung der DSSC-Technologie zu beschleunigen.
Laut Fili bezieht sich die gesamte Forschungsarbeit von Lindströms Team direkt auf Produktanwendungen, was den Patentschutz umso wichtiger macht. Für 2021 sind mehrere Produkteinführungen geplant. Bereits angekündigt wurden selbstaufladende Fahrradhelme und selbstaufladende drahtlose Kopfhörer.
Derzeit beschäftigt Exeger 140 Mitarbeiter in seiner Fabrik in Stockholm und plant noch in diesem Jahr mit dem Baubeginn der zweiten Fabrik mit zehnfacher Kapazität. Dies wird es dem Unternehmen ermöglichen, weitere Märkte zu erschließen, wobei der Schwerpunkt nach Fertigstellung dieses Werks auf der Unterhaltungselektronik und potenziellen Märkten in traditionellen Outdoor-Segmenten liegen wird. Die Erfinder betonen, wie entscheidend ihr Forschungs- und Entwicklungsteam dafür ist, dass Exeger weiter innoviert und erfolgreich ist. Dieses Team besteht aktuell aus 36 Mitarbeitern, von denen 42 Prozent einen Doktortitel haben.
Hinweise an die Redaktionen
Informationen zu den Erfindern
Dr. Henrik
Lindström wurde am 17. April 1967 im schwedischen Uppsala geboren. Er studierte
Chemie an der Universität Uppsala. Im Rahmen seiner ersten Doktorarbeit im
Bereich der Batterie- und Farbstoffsolarzellenforschung an der Universität
Uppsala war er der erste Wissenschaftler, der eine Solarzelle auf einem
flexiblen Kunststoffsubstrat herstellte. Als Postdoktorand arbeitete Lindström
am Nationalen Institut für Materialwissenschaften im japanischen Tsukuba (2005-2007).
Von Juni 2007 bis Januar 2009 wirkte Lindström als Forscher in der Industrie
für das Nanotechnologieunternehmen NTERA, Inc. in Dublin, wo er Verfahren zur
Herstellung reflektierender monolithischer elektrochromer Displays entwickelte.
Im Jahr 2009 trat er seine derzeitige Position als CTO bei Exeger an.
Giovanni Fili wurde am 5. Februar 1976 im schwedischen Hällefors geboren. 2002 schloss er ein Studium in Betriebswirtschaft und Verwaltung (MSc-Studiengang) an der Stockholm School of Economics ab. Danach konzentrierte er sich auf zunächst auf seine Tätigkeit als privater Immobilieninvestor und war Gründungspartner und Vorstandsvorsitzender zahlreicher Immobilienentwicklungsunternehmen. Nach seiner Tätigkeit an der Königlich Technischen Hochschule (KTH) in Schweden im Jahr 2007, gründete er im Herbst 2008 das Farbstoffsolarzellen-Unternehmen NLAB Solar AB (jetzt Exeger). Fili war 2013 außerdem Mitbegründer des Start-ups Atrogi AB, das im Bereich Diabetesbehandlung tätig ist, und ist im Vorstand des Medizintechnikunternehmens Sigrid Therapeutics AB. Er ist Beiratsmitglied des Stockholm Innovation & Growth Forums und Gründungsvorstand und Investor bei Molindo Energy AB, einer in Stockholm ansässigen Investmentgesellschaft für den Energiesektor. Fili ist der Gründer und CEO von Exeger.
Henrik Lindström und Giovanni Fili sind in sechs bzw. fünf europäischen Patenten genannt, darunter das für die Nominierung für den Europäischen Erfinderpreis relevante und 2018 erteilte Patent EP2625703.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische
Erfinderpreis ist einer der
renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben
gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende
Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit
geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus
Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft
die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur
gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung
von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien (Industrie,
Forschung, KMU, Nicht-EPO Staaten und Lebenswerk) verliehen. Der Gewinner des Publikumspreises
wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten über ein Online-Voting
ermittelt.
Über das EPA
Mit 6 400 Bediensteten ist das Europäische
Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das
seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag
und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den
Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des
zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen
Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund
700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den
Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
EPA-Pressekontakt
Luis Berenguer Giménez
Hauptdirektor
Kommunikation, Sprecher
Tel.: +49 89 2399 1203