Wale als Inspiration für Turbinen und Ventilatoren: Stephen Dewar, Philip Watts und Frank Fish als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert
- Der US-amerikanische Biologe Frank Fish, der US-kanadische Luftfahrtingenieur Philip Watts und der kanadische Filmemacher, Erfinder und Unternehmer Stephen W. Dewar für die Entwicklung biomimetischer Rotorblätter für Windturbinen, Windkraftanlagen und Ventilatoren nominiert
- Die Turbinen- und Ventilatorblätter erhöhen Leistung und Energieeffizienz herkömmlicher Anlagen und arbeiten leiser als konventionelle Blätter
- Design von der Buckelwal- Brustflosse inspiriert: bis zu 20 Prozent mehr Leistung bei geringerem Windaufkommen
- EPA-Präsident Battistelli: „Die Erfindung von Dewar, Watts und Fish hat das Potenzial, sowohl eine Wirkung auf den weltweiten Energieverbrauch als auch die -produktion zu entfalten, zumal wir uns zunehmend auf grüne Technologien stützen."
München, 24. April 2018 - Rotorblätter sind ein bedeutender Bestandteil technologischen Fortschritts. Sie erzeugen Strom in Windturbinen, dosieren Luftströme in Industriegebläsen und kühlen in Ventilatoren Computerchips und elektronische Baugruppen. Und obwohl sie in einer ständig wachsenden Zahl von Systemen ihren Dienst leisten, beruht ihr Design nahezu unverändert auf Erkenntnissen der Aerodynamik aus den 30er Jahren. Lange galt hier eine gerade, glatte Vorderkante der Rotorblätter als Standard. Der US-Biologe Frank Fish, der US-amerikanisch-kanadische Luftfahrtingenieur Philip Watts und der kanadische Unternehmer Stephen W. Dewar stellten diesen Grundsatz infrage: Indem sie die Brustflossen (Flipper) der Buckelwale als Vorbild nutzten, hat dieses Team Rotorblätter entwickelt, die mit Hilfe dreidimensionaler Erhebungen an ihren Vorderkanten den Luftstrom verändern. Das Resultat: der aerodynamische Wirkungsgrad der Flügel steigt, gleichzeitig sinkt ihr Geräuschpegel.
Für diese Erfindung wurden Stephen Dewar, Philip Watts und Frank Fish als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2018 in der Kategorie „Nicht-EPO-Staaten" nominiert. Die diesjährigen Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden im Rahmen eines Festakts am 7. Juni 2018 in Paris, Saint-Germain-en-Laye, bekanntgegeben.
„Die Erfindung von Dewar, Watts und Fish hat das Potenzial, eine Wirkung auf den weltweiten Energieverbrauch zu entfalten, zumal wir uns zunehmend auf grüne Technologien stützen", sagte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2018. „Ihre Arbeit zeigt, wie die Natur als Quelle der Inspiration für nachhaltigen und unkonventionellen technologischen Fortschritt dienen kann."
Natur als Vorbild - von Buckelwalen inspiriert
Das Interesse an Bionik, den Zusammenhängen zwischen Biologie und Technologie, brachte das Team von Dewar, Watts und Fish dazu, sich die unebenen Flipper der Buckelwale genauer anzusehen. Sie waren fasziniert von der kinetischen Effizienz und Wendigkeit der Wale, die trotz ihres Gewichts von etwa 30.000 Kilogramm jedes Jahr Strecken von bis zu 25.000 Kilometern zurücklegen. Dabei erreichen sie mit ihren Flippern Geschwindigkeiten von etwa 24 km/h in der Spitze. Diese Zusammenhänge begeisterten den Biologen Frank Fish. Er vermutete, dass die unregelmäßigen Hautverdickungen am Ende der Flipper für den zusätzlichen Effizienzschub wesentlich sein könnten. Die sogenannten Tuberkeln verleihen den Flippern ihr unverwechselbares sägeblattähnliches Aussehen. Im Gegensatz zu anderen Walen „bewegt sich der Buckelwal aktiv, um Beute einzufangen", erklärt Fish. „Die Tuberkel an ihren langen Flippern sind wichtig. Sie modifizieren die Strömung über den flügelartigen Flossen passiv. So erzeugen sie einen geringeren Widerstand und gleichzeitig größeren Auftrieb."
Nach einigen anfänglichen Berechnungen verfasste Fish eine Forschungsarbeit, die seine Erkenntnisse bestätigte und die Aufmerksamkeit des Flugzeugingenieurs Philip Watts weckte. Die beiden beschlossen, das Phänomen gemeinsam genauer zu untersuchen und zu prüfen, ob es praktische Anwendungsmöglichkeiten dafür geben könnte.
Sie konnten nachweisen, dass Tuberkel den Wasserwiderstand an den Flipperspitzen des Wals reduzieren. Des Weiteren konnten sie zeigen, dass herkömmliche Rotorblätter an ihrer Spitze turbulente Luftströmungen erzeugen, die sich auf die gesamte Fläche des Blattes auswirken: Es bilden sich Luftwirbel, die einerseits die Effizienz reduzieren und andererseits Lärm erzeugen. Der Buckelwal verfügt über eine elegante Lösung, die genau solche Turbulenzen minimiert. Da das Phänomen bei den Walen im Wasser funktioniert, vermuteten die Erfinder, dass es auch in der Luft wirken könnte - wenn es gelang, das Wal-Design auf Turbinen- und Propellerblätter zu übertragen.
„Unsere ersten [Test] Ergebnisse lieferten beeindruckende Daten", sagt Watts. „Mit diesen Resultaten begannen wir, Lösungen für den Alltag zu entwickeln. Wir waren sehr überrascht, dass diese realen Anwendungen unsere Erwartungen nicht nur erfüllten, sondern sogar übertrafen. Sie entwickelten sich zu einer Erfindung mit einem überaus nachhaltigen Effekt."
Als sie von der Konzept- in die Prototypen-Phase übergingen, integrierten Fish und Watts tuberkelähnliche Unebenheiten in die Vorderkanten der Rotorblätter. Die abgerundeten stromlinienförmigen Höcker bewirkten beträchtliche aero- und strömungsdynamische Effekte: Gegenüber herkömmlichen Rotorblättern konnten sie den Anstellwinkel mit der tuberkelbestückten Variante um bis zu 40 Prozent erhöhen, bevor es zum Strömungsabriss kam. Damit steigerten sie den maximalen Auftrieb eines Flügels. In einer Windkraftanlage, die mit den neuentwickelten Rotorblättern arbeitete, erreichten Fish und Watts auf diese Weise einen Effizienzgewinn von etwa 20 Prozent.
Ein Service-Unternehmen für geistiges Eigentum
Um das Potenzial des Tuberkel-Konzepts voll auszuschöpfen, schlossen sich Fish und Watts mit dem kanadischen Filmemacher, Erfinder und Unternehmer Stephen W. Dewar zusammen. Gemeinsam gründeten sie 2005 das kanadische Start-up WhalePower, das die neue Variante der Rotorblätter entwickelte, patentieren liess und nun vermarktet. Mit Frank Fish als Präsident und Watts als Vize-Präsident für Forschung und Entwicklung sowie Dewar als Generaldirektor für das operative Geschäft lizenziert WhalePower sein Konzept an andere Firmen, welche die Technologie in ihren speziellen Fachgebieten einsetzen.
Das Start-up funktioniert wie ein Service-Unternehmen für geistiges Eigentum. Dabei stellte Dewar zunächst fest, dass die Tuberkeltechnologie lediglich mit einem US-Patent geschützt war. Er erkannte, dass Patentschutz auch in den wichtigen Regionen außerhalb der USA erforderlich sein würde. Zudem mussten die Patente spezifischer sein, um Anwendungen, für die die Technologie genutzt werden könnte, genauer zu umfassen. Er konzentrierte sich zunächst auf Windkraftanlagen und dann auf andere Bereiche, die von der verbesserten Aerodynamik und Effizienz der Technologie profitieren könnten. Auf der Grundlage eines europäischen Patents und weiterer Patente in anderen Regionen ergänzte WhalePower seine Rotorblattkonstruktionen von ersten Konzepten für Windkraftanlagen bis hin zu Lösungen für industrielle Gebläse und Computerlüfter.
Über einen kanadischen Lizenznehmer brachte das Unternehmen den ersten High-Volume-Low-Speed (HVLS)-Lüfter mit tuberkelbesetzten Rotorblättern auf den Markt. Dieser Ventilator ist in verschiedenen Durchmessern in 38 Ländern erhältlich. Die Lüfter arbeiten besonders leise, sind bis zu 20.000 Betriebsstunden wartungsfrei und verbrauchen so wenig Energie wie ein durchschnittlicher Haartrockner. Das Geheimnis hinter diesen beeindruckenden Werten liegt in ihrem Leistungsvermögen: Sie bewegen etwa 25 Prozent mehr Luft als tuberkellose Lüfter. Ein zweiter, chinesischer Hersteller verkauft die HVLS-Ventilatoren mit Tuberkeln auf dem chinesischen Markt.
WhalePower entwickelte auch den Prototypen eines Lüfters für Computergrafikkarten, der die Tests eines internationalen IT-Herstellers durchlief. Auch er erreichte eine um 20 Prozent höhere Effizienz als Produkte des aktuellen Marktführers - ein starkes Argument für die IT-Industrie, denn in Geräten wie Servern verbrauchen Lüfter und Kühlung etwa 10 Prozent der Gesamtleistung. Die Nutzung der Technologie wurde auch für einen deutschen Ökostromproduzenten lizenziert. Dieses Unternehmen beauftragte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) damit, die Wirkkraft von tuberkelbestückten Modell-Rotorblättern in einem Windkanal zu untersuchen. Die Untersuchungsergebnisse waren bemerkenswert: Sie verdeutlichten, dass zusätzlich zur Effizienzsteigerung von etwa 20 Prozent die Lärmbelastung um mindestens zwei Dezibel und die Ermüdungsbelastung um sechs bis acht Prozent reduziert werden kann. Gleichzeitig stieg die Lebensdauer der Schlüsselkomponenten um 25 Prozent - bei der durchschnittlichen Lebensdauer einer Windkraftanlage zwischen 12 und 25 Jahren entspricht das drei bis sechs zusätzlichen Betriebsjahren.
Im Markt für Windkraftanlagen, für den das WhalePower-Konzept ursprünglich entwickelt wurde, ist eine weltweite Umsatzsteigerung von 64,59 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf 66 Milliarden Euro im Jahr 2019 prognostiziert. Der globale Markt für industrielle und kommerzielle Ventilatoren und Gebläse, auf dem ein WhalePower-Produkt erstmals zugelassen wurde, erreicht bis 2022 voraussichtlich einen Wert von 8,5 Milliarden Euro.
Interdisziplinäres Team: Ein Biologe, ein Ingenieur und ein Unternehmer
Frank Fish wurde in New York City geboren. Er promovierte in
Zoologie und arbeitete über 40 Jahre als Universitätsprofessor, Forscher und
Erfinder. Er hat mehr als 147 Forschungsartikel, Regierungsberichte und Buchbeiträge
veröffentlicht. Seine Forschung konzentriert sich auf die energetischen und hydrodynamischen
Grundlagen für die Fortbewegung von Wirbeltieren im Wasser mit Hilfe
biomimetischer Anwendungen. Seine Arbeit über die Biomechanik des
Bewegungsapparats von im Wasser lebender Säugetiere wurde von der
US-amerikanischen Forschungsagentur für Verteidigungsforschung (DARPA), der
National Science Foundation und dem Office of Naval Research finanziert.
Philip Watts, der 1997 am kalifornischen Institute of Technology promovierte, erfand als leitender Angestellter bei verschiedenen Windkraftunternehmen verschiedene patentierte Innovationen im Bereich der Windturbinentechnologie. Neben seiner Tätigkeit als Berater der Versicherungs-, Öl- und Gas- sowie Nuklearindustrie in der Gefahrenbewertung durch Tsunami-Simulation entwickelte er eine Open-Source-Simulationssoftware, die an Tsunami-Wissenschaftler rund um den Globus vertrieben wird. Watts hat auch wissenschaftliche Arbeiten über die Aerodynamik des Fledermausflugs und die Fortbewegung der Astronauten in Raumstationen veröffentlicht. Im Laufe seiner mehr als 14 Jahre dauernden Forschungsarbeit verfasste er über 70 wissenschaftliche Publikationen und Berichte.
Stephen Dewar interessiert sich als Erfinder und Unternehmer für wissenschaftliche Veröffentlichungen und Wissenschaftsjournalismus. Als er im CBC Radio die Sendung „Quirks und Quarks" verfolgte, hörte er von Fish und Watts und kontaktierte sie, um mehr über ihre Forschung zu erfahren. So wurde er schließlich zum Partner ihrer Firma. Über 30 Jahre hinweg widmete er sich der Schriftstellerei, führte Regie und produzierte hunderte von Radio- und Fernsehdokumentationen sowie Dramen und Komödien für die Canadian Broadcasting Corporation, das National Film Board of Canada, CTV und CBS.
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View the patent:
EP1805412
Nature as inspiration
As WhalePower put it, they are building the energy future based on millions of years of evolutionary field testing. Other notable figures from the European Inventor Award that have been inspired by nature are the UK's Fiona Fairhurst, who designed the Olympics-grade bathing suit based on shark skin (2009 finalist in "Industry), Denmark's Peter Holme Jensen, Claus Hélix-Nielsen and Danielle Keller who developed energy-efficient water purification based on aquaporins (2014 winners in "SMEs), the Czech Republic's Miroslav Sedláček, who invented the rolling fluid turbine (2016 finalist in "Research"), and Morocco's Adnane Remmal, who created antibiotics boosted with essential oils (2017 winner of the Popular Prize).
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