Der archetypische Erfinder: Jacques Lewiner als Finalist für den Europäischen Erfinderpreis 2018 nominiert
- Französischer Erfinder für sein Lebenswerk, der Entwicklung zahlreicher technischer Lösungen für das Leben im Alltag, für Preis des Europäischen Patentamts nominiert
- Lewiners Erfindungen lieferten wichtige Beiträge in den Bereichen Elektronik, medizinische Sensoren, Sicherheit und Telekommunikation
- Er hat weltweit über 500 Patente angemeldet und ist Inhaber von rund 70 europäischen Patenten
- EPA-Präsident Battistelli: „Jacques Lewiner widmet sein Leben dem Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Industrie. Damit verkörpert er das Ideal des archetypischen Erfinders."
München, 24. April 2018 - Nur wenige sind so produktiv wie der französische Erfinder, Physiker und Unternehmer Jacques Lewiner. Der 74-Jährige ist Inhaber von fast 70 europäischen Patenten und hat weltweit mehr als 500 Patente angemeldet. Seine Erfindungen stammen aus ganz unterschiedlichen Gebieten - von der Elektronik über medizinische Sensoren bis hin zu Sicherheit und Telekommunikation. Damit ist Lewiners Arbeitsspektrum fast so vielseitig wie seine Erfindungen zahlreich sind. Das verbindende Element liegt in seiner Fähigkeit, aus neuesten Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik zu schöpfen und verschiedene Fachbereiche miteinander zu verbinden, um auf diesem Weg praktische Lösungen für Problemstellungen des Alltags zu finden.
Für seine Leistungen wurde Jacques Lewiner als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2018 in der Kategorie „Lebenswerk" nominiert. Die Gewinner werden am 7. Juni im Rahmen eines Festakts in Paris, Saint-Germain-en-Laye, bekanntgegeben.
„Jacques Lewiner hat sein Leben dem Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Industrie gewidmet. Damit verkörpert er das Ideal des archetyischen Erfinders", erklärte EPA-Präsident Benoît Battistelli bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2018. „Er hat sich der Aufgabe verschrieben, Forscherkollegen und Studenten aus Europa und der ganzen Welt zu unterstützen, damit sie in seine Fußstapfen treten und ihre Forschungsarbeit in reale Anwendungen umsetzen können, um die Gesellschaft als Ganzes mit Verbesserungen voranzubringen."
Geboren 1943 in Vic-sur-Cère, einem kleinen Dorf im südlichen Zentralfrankreich, zeigte sich Lewiners Vorliebe für Erfindungen bereits in jungen Jahren: Als Kind führte er verschiedene Experimente im Garten seiner Familie durch und entwarf dabei auch ein Alarmsystem, das mögliche „Besucher" im Voraus ankündigte. Nach seiner Promotion in Physik an der Universität von Paris lehrte Lewiner zunächst an der Katholischen Universität von Amerika in Washington D.C., wo er sich auf die Erforschung elektrischer Eigenschaften von Festkörpern spezialisierte. 1968 kehrte er nach Paris zurück, um als wissenschaftlicher Mitarbeiter am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) zu arbeiten. Im Jahr 1973 wurde Lewiner mit gerade einmal 30 Jahren als Professor für den Lehrstuhl Elektromagnetismus an die renommierte Hochschule für angewandte Physik und Chemie der Stadt Paris (ESPCI Paris). 1982 schloss sich ihm Georges Charpak an, der 1992 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet werden sollte. Während seiner Zeit an der ESPCI Paris entwickelte sich sein ausgeprägter Erfindergeist und er reichte 1970 sein erstes Patent ein, dem noch viele folgen sollten.
„Als ich noch jünger war, war das ein kleines Problem", sagt Lewiner. „Immer wenn ich nach Hause kam und meiner Frau von einer neuen Erfindung erzählte, pflegte sie jeweils fast in Ohnmacht zu fallen. Damals hatten wir viel von unserem Geld für Patentanmeldungen aufgewendet, also war sie natürlich jedes Mal sehr besorgt, wenn ich eine neue Idee hatte. Aber ich war immer überzeugt, dass Erfindungen wichtig sind, um unsere Gesellschaft weiter zu bringen, und dass Patente für den Schutz des geistigen Eigentums unerlässlich sind."
Ein produktiver Erfinder - Sicherheit für alle Lebensbereiche
Lewiner widmete sich bei seiner Arbeit vor allem der Lösung von Alltagsproblemen. Hierbei spielte besonders das Thema Sicherheit eine Rolle. Eine von Lewiners ersten Erfindungen war eine Decke, die Leben retten kann: In ihrem Gewebe befinden sich Sensoren, die Herzschlag und Atmung überwachen. Diese zyklischen Vitalfunktionen werden in ein elektromechanisches Signal umgewandelt. Ändern sich die Zyklen oder stoppen sie, löst die Decke sofort Alarm aus. Die 1977 patentierte Decke ist ideal geeignet für die Überwachung von Neugeborenen oder Schlafapnoe-Patienten. Im Gegensatz zu früheren Erfindungen wie Schlafmasken oder Klebesensoren ermöglicht sie volle Bewegungsfreiheit. 1980 und 1984 gelang es ihm, die Biosignal-Überwachungsdecke mit Hilfe neuer Technologien weiter zu verbessern.
Auch in einem ganz anderen Bereich war Lewiner aktiv: Er ist einer der kreativen Köpfe hinter dem ersten Türschloss, das sich mit einer Magnetkarte öffnen lässt. Diese Technologie wird heute in Hotels auf der ganzen Welt standardmäßig eingesetzt. Lewiners Erfindung ist besonders sicher, denn jeder neue Code, der die Tür entriegelt, wird von einem algorithmusbasierten Codierungssystem entwickelt. So bleiben auch verlorene oder gestohlene Karten gesichert, denn es reicht nicht mehr aus, allein den magnetischen Code der Karte auszulesen. Lewiners Lösung war nicht nur sicher, sondern bedeutete auch, dass das Hotelpersonal nicht jeden neuen Gast zu seinem Zimmer begleiten musste. Für dieses System wurde 1989 ein europäisches Patent erteilt. Nach Schätzungen von Lewiner sind seither hunderttausende Hotelzimmer damit geschützt.
Im Jahr 1991 ließ der französische Erfinder eine Verbesserung des ionisierenden Rauchmelders patentieren und machte ihn weniger anfällig für Fehlalarme. In älteren Modellen bildeten ionisierte Luftpartikel in einer speziellen Kammer im Detektor einen elektrischen Stromkreis. Sobald Rauchpartikel diesen Kreis unterbrachen, ertönte der Alarm. Aber auch ein plötzlicher Luftzug oder Windstoß konnte die Luftpartikel verdrängen, den Stromkreis unterbrechen und so Alarm auslösen. Lewiners Idee war es, eine zusätzliche Ionisationskammer für den Abgleich mit den harmlosen Luftströmungen in den Rauchmelder einzubauen.
Für seine Erfindungen hat Lewiner über 150 französische und weltweit schätzungsweise mehr als 500 Patentanmeldungen eingereicht. Er ist Inhaber von nahezu 70 europäischen Patenten sowie zahlreicher paralleler Patente im Ausland. Viele dieser Schutzrechte bildeten die Grundlage wichtiger industrieller Entwicklungen.
Ein leidenschaftlicher Unternehmer
Lewiner ist nicht nur ein produktiver Erfinder, sondern auch erfolgreicher Unternehmer. Sein ionisierender Rauchmelder lieferte den Grundstock an Schutzrechten für den Brandmeldespezialisten Finsecur SA, den Lewiner 1999 mitgründete. Seitdem hat Finsecur sein Patentportfolio auf über 120 Patente erweitert. Das Unternehmen erwirtschaftete Berichten zufolge einen Umsatz von 34 Millionen Euro und beschäftigt 168 Mitarbeiter. Lewiner hat zahlreiche Start-up-Unternehmen ins Leben gerufen oder mitgegründet. Er ist beteiligt an Cytoo, einem Unternehmen für zelluläre Modellierung, dem 3D-Drucktechnologie-Unternehmen Sculpteo, dem Hersteller für Spezialchemieprodukte Roowin, dem Produzenten von elektronischen Kameras CYNOVE und sogar dem Motorroller-Start-up ElectricMood.
Bei vielen von Lewiners Projekten arbeiteten Spezialisten aus verschiedenen technischen und wissenschaftlichen Disziplinen bereichsübergreifend zusammen. Mehrere seiner Start-ups entstanden in Zusammenarbeit mit ehemaligen ESPCI Paris-Studenten. Eines der erfolgreichsten ist Inventel, welches er mit seinem ehemaligen Studenten Éric Carreel gegründet hat. Das auf Unterhaltungselektronik und Kommunikationssysteme spezialisierte Unternehmen startete mit einem Patent für ein Business-Paging-System, verlagerte seinen Fokus aber mit dem Aufkommen des Dotcom-Booms schnell auf die Internettechnologie. Die bekannte „Livebox" Router-Modem-Kombination von Inventel wurde den Verbrauchern von Telekommunikationsfirmen in Frankreich (und später in Spanien, Großbritannien und anderen Ländern) angeboten, um Triple-Play-Dienste (Internet, TV und Festnetztelefonie) zu nutzen. Inventel wurde 2005 von der französischen Kommunikations- und Unterhaltungsfirma Thomson SA (jetzt Technicolor SA) für 146 Millionen Euro übernommen.
Ein aktuelleres Beispiel für den Geschäftserfolg von Lewiner ist Sculpteo, eine auf 3D-Druck spezialisierte Firma, die von Lewiner, Carreel und dem ehemaligen ESPCI Paris-Studenten Clément Moreau gegründet wurde. Aus den jüngsten Zahlen von Sculpteo aus dem Jahr 2017 geht hervor, dass das Unternehmen 55 Mitarbeiter beschäftigt und bislang Investitionen in Höhe von rund 7 Mio. EUR getätigt hat. Der globale 3D-Druckmarkt, auf dem Sculpteo aktiv ist, wurde 2017 auf rund 5,3 Milliarden Euro geschätzt und dürfte bis 2023 um 26 Prozent pro Jahr auf 26,4 Milliarden Euro anwachsen.
Brücken bauen
Lewiners Arbeit und seine Verdienste haben weithin Beachtung gefunden. Seit 2005 ist er Ritter des Nationalen Ordens der Ehrenlegion und Mitglied der Französischen Technikakademie. Im Jahr 2015 wurde er zum Ehrendoktor der Ben Gurion Universität in Beersheba, Israel und 2016 zum Ehrendoktor des Technion in Haifa ernannt. Zuletzt erhielt er 2017 den Marius Lavet-Sonderpreis.
Heute arbeitet er als ehrenamtlicher wissenschaftlicher Direktor an der ESPCI Paris sowie als Dekan für Innovation und Unternehmertum an der Université PSL (Paris Sciences & Lettres) und Präsident des Fonds ESPCI Paris. Dort unterstützt er Forscherkollegen und Studenten, die wichtige Rolle von Patenten besser zu verstehen und Brücken zwischen Wissenschaft und Industrie zu schlagen.
Lewiner ist überzeugt, dass der Einfallsreichtum, den wir bisher erlebt haben, nur ein Vorgeschmack auf das ist, was noch kommen wird: „Ich denke, viele europäische Länder verfügen über exzellente wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, aber es gibt noch viel ungenutztes Potenzial in Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Industrie und die Anwendung von Forschungsarbeit in der Praxis. Ich bin überzeugt, dass die Wissenschaft dazu beiträgt, die Gesellschaft, unser Leben und unsere Gesundheit zu verbessern, und ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen auch praktisch angewendet werden, was ich bereits hier in Frankreich tue."
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Der Blick auf die Patente: EP0034077, EP0236223, EP0169150
Produktive europäische Erfinder
Koryphäen wie Jacques Lewiner sind selten, aber es gibt einige europäische Erfinder, die mit ihrer Arbeit ebenfalls ein vergleichbares Werk geschaffen haben, wie der deutsche Erfinder Artur Fischer, Gewinner des Europäischen Erfinderpreises 2014 in der Kategorie Lebenswerk und berühmt für die Erfindung des Spreizdübels, oder Elmar Mock (Finalist, Lebenswerk, 2017), der das Ultraschallschweißen (in Swatch-Uhren verwendet) erfunden hat und Creaholic, einen erfolgreichen Erfindungsinkubator, gegründet hat.
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