Mit Pilzen ökologische Verpackungen züchten: Eben Bayer und Gavin McIntyre als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019 nominiert
- US-Maschinenbauingenieure und Öko-Unternehmer Eben Bayer und Gavin McIntyre für Verpackung und weitere nachhaltige Materialien aus Pilzmyzelien für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert
- Das Myzel - die Geflechtstruktur von Pilzen - dient als natürlicher Kleber, um aus landwirtschaftlichen Abfällen neues Material für Verpackungen und andere Endprodukte herzustellen
- Aufbauend auf ihrer Erfindung gründeten Bayer und McIntyre ein Unternehmen, das auf biologisch abbaubare und nachhaltige Alternativen zu Kunststoffen und Polystyrolschäumen setzt
München, 7. Mai 2019 - Die US-Maschinenbauingenieure und Produktdesigner Eben Bayer und Gavin McIntyre sind als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019 in der Kategorie „Nicht-EPO-Staaten" nominiert. Damit wird die Erfindung eines robusten und ungiftigen Materials gewürdigt, das aus dem Fadengeflecht von Pilzen (Myzel) gewonnen wird und eine nachhaltige Alternative zu Kunststoffen und Polystyrolschäumen bietet.
Das umweltfreundliche Material wird über Ecovative Design vermarktet - ein Unternehmen, das 2007 von den Erfindern mitgegründet wurde und mit vielen internationalen Partnern im Bereich Schutzverpackungen für den Produktversand zusammenarbeitet. Die flexible, anpassungsfähige und biologisch abbaubare Substanz wird für Verpackungen und Baustoffe genutzt, ebenso wie in anderen Anwendungen einschließlich Textilien oder alternativer Proteinquellen.
„Bayer and McIntyre verwandeln eine grüne Idee, die sie bereits an der Universität hatten, in ein innovatives Material und kommerzielles Produkt", sagte EPA-Präsident António Campinos über die Nominierung der US-Erfinder als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2019. „Patente haben ihnen geholfen, ihre Technologie zu entwickeln und ein umweltfreundliches Unternehmen aufzubauen."
Die Gewinner des jährlichen Innovationspreises des EPA werden 2019 im Rahmen einer Galaveranstaltung am 20. Juni in Wien bekannt gegeben.
Materialtechnik und Biologie schaffen einen kultivierbaren Kleber
2017 wurden laut Angaben der Industrie 348 Millionen Tonnen Plastik produziert. Rund 40 Prozent davon sind Einmalverpackungen. Zwar wird einiges an Kunststoff recycelt, das meiste jedoch wird entweder verbrannt oder landet auf Mülldeponien und im Ozean. Zwei US-Erfinder - Eben Bayer und Gavin McIntyre - haben jetzt mit Hilfe von Pilzmyzel eine umweltfreundliche Alternative zum synthetischen Verpackungsmaterial geschaffen.
Bayer wuchs auf der Farm seiner Familie in Vermont auf. Dort war ihm aufgefallen, dass Pilze geschredderte Holzstückchen zusammenkleben. „Der Wald war immer eine Quelle der Inspiration und ein Hort des Friedens für mich. Und er hat auch Anteil an der Idee für das Konzept, Myzelien als Bindemittel für den Anbau von Materialien zu verwenden", sagt er.
Er lernte McIntyre an der Universität kennen, als beide dort Maschinenbau und Produktdesign studierten. Die Produktidee, die auf Bayers Kindheitsbeobachtungen beruht, kam ihnen im Kurs „Inventor's Studio". Dozent und Mentor Burt Swersey erkannte den Nutzen des auf Pilzen basierenden Materials und ermutigte die beiden, gemeinsam an der Erfindung zu arbeiten. Ihr Durchbruch war die Erkenntnis, dass Myzelien in der Lage sind, mehr als nur geschredderte Holzstücke zusammenzukleben: Fast alle landwirtschaftlichen Abfälle, wie Maisblätter, Reishülsen oder Nutzhanffasern können mit Myzel als Klebstoff verbunden werden. Das daraus entstandene Material kann in fast jede Form gebracht werden. „Wir Menschen nutzen natürliche Materialien seit Jahrhunderten zu unserem Vorteil. Es ist wirklich überraschend, dass das Reich der Pilze, eines der vielfältigsten der Natur, bis dahin völlig unerforscht und aus materialwissenschaftlicher Perspektive noch nie beachtet worden war. Da war für uns ein wirklich offenes Feld zu erkunden", sagt McIntyre.
Nach einer anfänglichen Periode von mehr oder weniger erfolgreichen Versuchen konnten Bayer und McIntyre einen Prozess der Material-Biofabrikation entwickeln und perfektionieren: Dabei wird landwirtschaftlicher Abfall mit Myzelien angereichert, in eine Form gegeben um dann bei Raumtemperatur, unter typischen Lagerhausbedingungen, mehrere Tage zu wachsen. Das Resultat ist ein geformtes, ungiftiges und belastbares Material, das frei von Pilzsporen ist. Es wird getrocknet und bei konstanten Temperaturen gebacken, um es biologisch inaktiv zu machen. Die Pilze können sich dann nicht mehr vermehren.
Wichtig für den Einsatz als Verpackung ist, dass das Material ein vergleichbares Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht aufweist wie Kunststoffprodukte, und zu einem vergleichbaren Preis verkauft wird. Das Material kann recycelt oder kompostiert werden und ist innerhalb von 45 bis 180 Tagen biologisch abbaubar. „Unsere Materialien aus Myzel sind für die Erde gesund, weil sie als Verpackungsmaterial robust und haltbar sind, aber mit einem Bruchteil des Energiebedarfs, welcher für die Herstellung von konventionellem Plastik gebraucht wird, erzeugt werden. Und am Ende der Nutzungsdauer können Sie es tatsächlich in Ihrem Garten kompostieren. Es verwandelt sich in einen Nährstoff und nicht zu einem Schadstoff", fügt Bayer hinzu.
Ein materialwissenschaftliches Unternehmen aufbauen
Noch während ihres Studiums reichten die Erfinder im Dezember 2006 ihre erste provisorische Patentanmeldung beim US-amerikanischen Patent- und Markenamt (USPTO) ein. Das erlaubte es dem Team, sich auf die Konzeptualisierung und die Prototypen zu konzentrieren. Ein Jahr später folgte eine internationale Patentanmeldung, welche im März 2016 die Erteilung eines europäischen Patents ermöglichte. Mittlerweile verfügen die beiden Erfinder in 31 Ländern über Patentschutz: „Seit wir ein neues Feld in der Materialwissenschaft geschaffen haben, sind Patente unglaublich wichtig für unser Unternehmen. So können wir uns auf unsere fortlaufende Forschung konzentrieren, während wir die Reichweite unserer Produkte durch Lizensierungspartnerschaften international ausbauen", sagt McIntyre.
Ecovative Design gründeten Bayer, heutiger CEO, und McIntyre, der als Direktor für Geschäftsentwicklung fungiert, direkt nach dem Abschluss ihres Studiums in New York. Das Unternehmen, das im Bereich Materialwissenschaften angesiedelt ist, sammelte rund 22,1 Millionen Euro an Investitionen und Zuschüssen und beschäftigt derzeit rund 45 Mitarbeiter.
Heute liefert Ecovative Verpackungen auf Myzelbasis an mehrere Versandunternehmen. Dabei nutzt Ecovative lokale Lieferketten. Das bedeutet, dass die Rohmaterialabfälle normalerweise von Verarbeitungsbetrieben in einem Radius von 100 Kilometern bezogen werden. Geschäftspartner in den Niederlanden beispielsweise nutzen Biomasse aus Hanf, die sie bei lokalen Landwirten kaufen, um als Ecovative Lizenznehmer Verpackungsmaterialien herzustellen. Das eröffnet Landwirten neue Einkommensquellen und reduziert Abfall. Zudem müssen keine auf fossilen Brennstoffen basierende Rohstoffe mehr benutzt werden.
Das Unternehmen unterhält mittlerweile verschiedene Produktplattformen, aus denen eine Reihe spezifischer Erzeugnisse hergestellt werden. Eine Plattform wird genutzt, um komplexe, biologisch abbaubare Formen mit spezifischer Dichte und Materialzusammensetzung zu erzeugen. Diese werden für verschiedene Anwendungen genutzt, von Verpackungen über Wohnaccessoires bis hin zu kleineren Formteilen wie Lampenschirmen. Eine weitere Plattform ermöglicht die Herstellung von tragfähigen Baugerüsten, die für verschiedene Verwendungen benutzt werden können, wie Holz, Dämmstoffe, umweltfreundliche Möbel, Isolierung für Jacken sowie als belastbaren Schaumstoff für Schuhe. Bayer ist sogar daran interessiert Myzel als alternative Proteinquelle zu Fleisch zu entwickeln.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt einzelne Erfinder und Erfinderteams, deren wegweisende Innovationen Antworten auf einige der größten Herausforderungen unserer Zeit geben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury bestehend aus internationalen Experten aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Akademie und Forschung ausgewählt. Sie prüft die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur gesellschaftlichen Entwicklung, zum wirtschaftlichen Wohlstand und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa. Der Preis wird in fünf Kategorien bei einer Galaveranstaltung verliehen, die dieses Jahr am 20. Juni stattfindet. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 15 Finalisten im Vorfeld der Verleihung über ein Online-Voting ermittelt. Die Abstimmung auf der EPA-Website ist bis zum 16. Juni 2019 möglich.
Über das Europäische Patentamt
Das Europäische Patentamt (EPA) ist mit fast 7 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine der größten europäischen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Der Hauptsitz ist in München; Niederlassungen gibt es in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien. Das EPA wurde gegründet, um die Zusammenarbeit europäischer Staaten im Patentwesen zu fördern. Über das zentrale Erteilungsverfahren beim EPA können Erfinder auf der Grundlage einer einzelnen Patentanmeldung Patentschutz in bis zu 44 Ländern (mit einem Markt von rund 700 Millionen Menschen) erlangen. Das EPA gilt überdies als die weltweit bedeutendste Behörde für Patentrecherchen und Patentinformation.
Weiterführendes Material
Blick auf das Patent: EP2531022
Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV" herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV", der EPA-Website und der Facebook-Seite des EPA übertragen.
Weitere Informationen, Fotos und Videos zum Europäischen Erfinderpreis 2019 sind in der EPA-Mediathek erhältlich. Smart TV-Nutzer können unsere App „Innovation TV" herunterladen und Videos zu allen Finalisten auf ihrem Fernseher anschauen. Die Verleihung am 20. Juni 2019 wird live auf „Innovation TV", der EPA-Website und der Facebook-Seite des EPA übertragen.
EPA-Pressekontakt
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