Grüner Wasserstoff aus Sonnenlicht und Luft: Johan Martens, Tom Bosserez und Jan Rongé als Finalisten für Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert
- Belgische Wissenschaftler Johan Martens, Tom Bosserez und Jan Rongé für den Preis des Europäischen Patentamts (EPA) nominiert für ihr Solarpanel, das sauberen Wasserstoff aus der Feuchtigkeit der Umgebungsluft erzeugt
- Erfindung generiert erneuerbare Energie vor Ort ohne externe Versorgung mit reinem Wasser, Netzanschluss, Gaspipelines oder Edelmetallen
- Für 2022 planen die Forscher die Gründung eines Spin-off-Unternehmens zur Skalierung und Kommerzialisierung der Technologie bis 2026
München, 17. Mai 2022 - Das Europäische Patentamt (EPA) gibt bekannt, dass die belgischen Wissenschaftler Johan Martens, Tom Bosserez und Jan Rongé für ihre bahnbrechende Arbeit an einem Solar-Wasserstoff-Panel, das Sonnenlicht und Wasserdampf ohne Edelmetalle und externe Wasserzufuhr in Wasserstoffgas umwandelt, als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2022 nominiert worden sind.
Die Fortschritte, die sie bei Materialien erreicht haben, die Wasser absorbieren und chemische Reaktionen katalysieren können, haben dazu beigetragen, die praktischen Hindernisse bei der Herstellung eigenständiger Wasserstoffproduktionsanlagen zu überwinden. Laut der Erfinder liefern zwanzig Panels genug Wärme und Strom für ein modernes Haus, um einen typischen belgischen Winter zu überstehen.
„Martens und seine Kollegen stehen an der Spitze der Solartechnologie und bieten eine Lösung an, die es sogar einzelnen Haushalten ermöglichen könnte, einen größeren Einfluss auf das Klima zu nehmen", sagte EPA-Präsident António Campinos bei der Bekanntgabe der Finalisten des Europäischen Erfinderpreises 2022. „Eine bahnbrechende Technologie wie diese ist ein ermutigender Schritt, um die Nutzung erneuerbarer Energien voranzutreiben und unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nachhaltig zu verringern."
Martens, Bosserez and Rongé wurden gemeinsam als einer von drei Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis in der Kategorie „Forschung" nominiert, in der Erfindungen ausgezeichnet werden, die auf zukunftsweisenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Die Biowissenschaftsingenieure arbeiten seit 2013 an der KU Leuven, eine der führenden europäischen Universitäten für Wissenschaft und Technologie, zusammen. Die Gewinner der diesjährigen Ausgabe des Europäischen Erfinderpreises des EPA werden am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Preisverleihung bekannt gegeben.
Wasserstoff vom eigenen Hausdach
Der Professor für Biowissenschaftsingenieurwesen Martens ist der Vater vieler Erfindungen und wird in 45 Patentfamilien genannt: „Um etwas zu erfinden, wählen mein Team und ich uns einfach ein Problem aus und versuchen, eine Lösung zu finden, mit der wir über den Tellerrand hinausschauen", sagt er. „Energie, Wasser, Gesundheitsfürsorge oder Alltägliches wie überhitzte Mixer für Lebensmittel - ich sehe überall Möglichkeiten für Erfindungen."
Nach einer solchen Brainstorming-Sitzung im Jahr 2010 begann Martens an einer Erfindung zu arbeiten, die Wassermoleküle aus der Umgebungsfeuchtigkeit einfängt und sie mithilfe von Sonnenlicht in nützliche Chemikalien aufspaltet. Da diese Technologie ein sehr ehrgeiziges Unterfangen ist, konzentrierte er sich auf die Herstellung von Wasserstoff und stellte zwei Doktoranden ein, Tom Bosserez und Jan Rongé, um die Idee zu einer funktionierenden Technologie zu entwickeln. Das Team war dabei von Anfang an von der Vision angetrieben, wirklich etwas bewirken zu können, indem sie durch die Nutzung von Sonnenlicht und Luftfeuchtigkeit weltweit Menschen mit Energie versorgen können.
2014 entwickelte das Wissenschaftler-Trio zunächst Materialien, die bei Sonneneinstrahlung auf ihrer Oberfläche chemische Reaktionen auslösen, die Wassermoleküle in Wasserstoff- und Sauerstoffgase aufspalten. Der Wasserstoff kann dann aufgefangen und als Energiequelle genutzt werden, indem das Gas entweder als Brennstoff verbrannt wird - ähnlich wie heute Flüssiggas - oder indem es für die Stromerzeugung durch eine Brennstoffzelle geleitet wird. In beiden Fällen werden bei dieser Reaktion im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen keine Treibhausgase freigesetzt.
Als Nächstes wurden der Wirkungsgrad der Solar-Wasserstoff-Umwandlung ihres
Laborgeräts von unter 1 % auf über 15 % gesteigert und die Miniatur-Laborgeräte
auf
1-Meter-Prototypen vergrößert, um Haushaltsgeräte zu betreiben. Dabei
berücksichtigten Martens, Bosserez und Rongé bereits zukünftige
betriebswirtschaftlich sowie ökologische Aspekte, indem sie aus Kosten- und Verknappungserwägungen
Edelmetalle aus ihren Materialien entfernten und alles in ein einziges Panel integrierten.
„Unser Solar-Wasserstoff-Panel ist absolut einzigartig, da es Wasser aus der Umgebungsluft aufnimmt und nicht aus einer externen Wasserversorgung", erläutert Martens. „Dadurch ist es möglich, Wasser zu absorbieren, Solarenergie zu nutzen, Wasserstoff zu produzieren und als Kraftstoff zu liefern - alles mit einem einzigen, eigenständigen Panel." Im Gegensatz zu den bisherigen Methoden der Wasserstoffgewinnung, für die in der Regel Anlagen wie große Kraftwerke erforderlich sind, kann die Erfindung von Martens aufgrund ihrer Kompaktheit überall sauberen Wasserstoffkraftstoff erzeugen, sogar auf Dächern.
Martens geht davon aus, dass sein Team das Design der Panels je nach klimatischen Bedingungen des Einsatzortes modifizieren kann, zum Beispiel für trockenere Gebiete in Afrika oder Dächer mit geringer Sonneneinstrahlung in skandinavischen Ländern. Er glaubt, dass sie letztendlich Flüssiggas in Entwicklungsländern ersetzen könnten, indem sie für Haushalte eine leicht zugängliche Quelle für sauberen Brennstoff darstellen, der vor allem für Herde zum Kochen und zur Kühlung genutzt werden kann.
2019 erteilte das Europäische Patentamt Martens, Bosserez und Rongé ein Schlüsselpatent zum Schutz ihrer Erfindung. Martens, der bereits vier Technologie-Start-ups mitbegründet hat, geht davon aus, dass noch Jahre harter Arbeit notwendig sein werden, um diese Spitzentechnologie in ein marktfähiges Produkt zu verwandeln. Gleichzeitig sei das Patent ein entscheidender erster Schritt dafür: „Unsere Patente sind wichtig, weil sie es uns ermöglichen, unsere Erfindungen während des langen Entwicklungsprozesses, der vor uns liegt, zu schützen", betont Martens. „Es dauert Jahre, eine neue Technologie zu entwickeln, aber alle unsere Ideen sind durch unsere Patente geschützt und können Schritt für Schritt eingesetzt werden, wenn unsere Solar-Wasserstoff-Panels ausgereift sind."
Martens, Bosserez und Rongé schätzen auch die Freiheit, die ihnen ihre Patente bei der Vermarktung ihrer Erfindung gewähren. Für das Team ist es wichtig, dass das Solar-Wasserstoff-Panel dem Planeten zugutekommt und nicht nur den Unternehmen, die es verkaufen. Ohne Patente, so Martens, könnten selbst bahnbrechende Erfindungen wie das Solar-Wasserstoff-Panel von anderen kopiert und vermarktet werden, was die Entwicklung von Innovationen weniger attraktiv macht.
Analysten gehen davon aus, dass der Markt für grünen Wasserstoff von 393 Mio. Euro im Jahr 2021 bis 2026 auf 3,9 Mrd. Euro anwachsen wird. Die EU rechnet bis 2050 mit kumulierten Investitionen von bis zu 470 Mrd. Euro in die grüne Wasserstoffinfrastruktur. Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, planen Martens, Bosserez und Rongé, ihre Erfindung bis 2026 zu kommerzialisieren. Derzeit arbeiten sie mit dem Ingenieurbüro Comate zusammen, um ihre Technologie für die Großproduktion tauglich zu machen, und testen Prototypen in Zusammenarbeit mit dem belgischen Erdgasnetzbetreiber Fluxys in Feldversuchen. Das Team wird 2022 ein Unternehmen gründen, um die kommerzielle Entwicklung ihrer Technologie zu begleiten.
Hinweis für die Redaktionen
Informationen zu den Erfindern
Johan Martens promovierte 1985 in angewandten Biowissenschaften an der KU Leuven und ist seit 1997 Professor für Biowissenschaftsingenieurwesen. Als Forschungskoordinator (2011-2019) war er an der Leitung der Gruppe Wissenschaft, Technik und Technologie der Universität beteiligt und leitet das Zentrum für Oberflächenchemie und Katalyse der KU Leuven. Im Laufe seiner Karriere hat Martens in verschiedenen Disziplinen gearbeitet, darunter Chemie, Biologie, Nanophysik, Ingenieurwesen und unternahm Schwerelosigkeitsexperimente an Bord der Internationalen Raumstation. Er ist Mitbegründer des Convergent Research Fund der KU Leuven, einer gemeinnützigen Einrichtung, die Forschung für ethische Anwendungen finanziert und mehrfach ausgezeichnet wurde. Er hat seine Nominierung für den Europäischen Erfinderpreis seinem im letzten Jahr verstorbenen Kollegen Francis Taulelle gewidmet, mit dem er inspirierende Diskussionen über die Wissenschaft geführt hat, die vielen seiner Erfindungen zugrunde liegt.
Tom Bosserez hat seinen Bachelor-, Master- und Doktortitel in Biowissenschaftsingenieurwesen an der KU Leuven erworben. Nach kurzer Tätigkeit für Waterleau, einem belgischen Anbieter von Wasserinfrastrukturen, schloss er sich der Gruppe von Martens an, um Solar-Wasserstoff-Panels zu entwickeln. Seit seiner Promotion unterstützt er das Team dabei, technische Hindernisse auf dem Weg zur Kommerzialisierung der Technologie zu überwinden. Er war zudem Gastforscher an der Universität von Columbia in den USA und leitet eine Bürgergenossenschaft, die in nachhaltige Energieprojekte investiert. Zurzeit ist er Postdoktorand an der KU Leuven.
Jan Rongé hat seinen Bachelor-, Master und Doktortitel in Biowissenschaftsingenieurwesen an der KU Leuven erworben. Er kam während seiner Promotion zu dem Team von Martens, um Solar-Wasserstoff-Panels zu entwickeln, und koordiniert das Projekt zur Kommerzialisierung der Technologie. Als Gastforscher hat er an der Universität Cambridge an Nanomaterialien gearbeitet. Er ist Gründungsmitglied der Young Researchers' Society for Sustainability der KU Leuven sowie von Druifkracht, einer Bürgerenergiegenossenschaft in Belgien. Derzeit ist er Doktorand an der KU Leuven.
Das Team ist als Erfinder in den europäischen Patenten EP3027788 (erteilt 2019) und EP3452638 (erteilt 2020) genannt, die von der KU Leuven gehalten werden.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Das EPA verleiht den Preis in vier Kategorien (Industrie, Forschung, KMU und Nicht-EPO-Staaten) und wird darüber hinaus am 21. Juni im Rahmen einer virtuellen Zeremonie einen Preis für das Lebenswerk ausloben. Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 13 Finalisten über ein Online-Voting auf der Webseite es EPA ermittelt. Die Stimmenabgabe ist bis zum 21. Juni 2022 möglich. Lesen Sie mehr über die Teilnahmebedingungen und Auswahlkriterien für den Europäischen Erfinderpreis.
In diesem Jahr wird das EPA zum ersten Mal auch den Young Inventors prize vergeben. Der neue Preis für junge Menschen unter 30 ist mit einer Geldprämie für die drei Finalisten dotiert, um sie weiter zu ermutigen, kreative Lösungen für drängende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu finden.
Über das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakte Europäisches Patentamt
Luis
Berenguer Giménez
Leiter
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Pressestelle
des Europäischen Patentamts
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