Die Entwicklerinnen von Krebsimpfstoffen Madiha Derouazi und Elodie Belnoue sind Preisträger des Europäischen Erfinderpreises 2022
- Europäisches Patentamt ehrt schweizerisch-französisches Erfinderduo für Plattform zur Herstellung von Impfstoffen, die zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt werden könnten
- Diese Krebsimpfstoffe helfen, die Immunreaktion gegen die tödliche Krankheit zu verstärken und werden in Verbindung mit anderen Behandlungen eingesetzt
- Die Technologie bietet neue Hoffnung für die Krebsbehandlung; derzeit laufen Versuche für einen Impfstoff gegen Darmkrebs
München, 21. Juni 2022 - Das Europäische Patentamt (EPA) hat heute die Schweizer Biotechnologin Madiha Derouazi und die französische Immunologin Elodie Belnoue mit dem Europäischen Erfinderpreis 2022 in der Kategorie "KMU" ausgezeichnet. Die beiden haben eine Plattform zur Herstellung von Impfstoffen mit dem Namen KISIMA entwickelt, mit der diese für die Behandlung verschiedener Krebsarten hergestellt werden können und die neue Hoffnung im Kampf gegen die Krankheit bietet.
„Diese bemerkenswerte Erfindung hat das Potenzial, viele Leben zu retten", sagt EPA-Präsident António Campinos. „Es schien lange Zeit unmöglich, aber Madiha Derouazi und Elodie Belnoue haben mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit einen neuen Weg zur Behandlung von Krebs geschaffen."
Das schweizerisch-französische Team wurde bei der Verleihung des Europäischen Erfinderpreises 2022 geehrt, einer hybriden Veranstaltung, die von einem weltweiten Publikum online verfolgt wurde. Der Preis ist einer der renommiertesten Innovationspreise Europas und wird jährlich an herausragende Erfinder aus Europa und darüber hinaus verliehen, die einen außergewöhnlichen Beitrag zur Gesellschaft, zum technischen Fortschritt und zum Wirtschaftswachstum geleistet haben.
Impfstoffe zur Krebsbekämpfung
Während viele Impfstoffe zur Vorbeugung von Krankheiten eingesetzt werden, kommen therapeutische Impfstoffe bei der Behandlung bereits ausgebrochener Krankheiten zum Einsatz. Krebserkrankungen unterdrücken häufig die körpereigene Immunreaktion. Die Aufgabe eines therapeutischen Krebsimpfstoffs besteht daher darin, das Immunsystem dabei zu unterstützen, die Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Bisherige Versuche, Krebsimpfstoffe zu entwickeln, riefen jedoch entweder keine starke Immunreaktion hervor, oder die Impfstoffe waren nur bei einigen wenigen Patienten wirksam.
Die Erfindung von Derouazi und Belnoue vereint drei wesentliche Bestandteile eines Impfstoffs in einem einzigen Protein, so dass die Plattform zur Herstellung von Impfstoffen verschiedener Krebsarten verwendet werden kann. Sie sind für den Einsatz neben Behandlungen wie Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie vorgesehen.
Derouazi, Belnoue und ihr Team nutzen nun die KISIMA-Plattform zur Herstellung ihres ersten Impfstoffs, der metastasierenden Darmkrebs behandeln soll. Der Impfstoff befindet sich derzeit in einem frühen Stadium der Erprobung am Menschen, wobei dieser sowohl allein als auch in Kombination mit immunstärkenden Medikamenten an Patienten getestet wird.
Die Versuche sind ein großer Schritt für Derouazi, die sich erstmals während ihrer Postdoc-Zeit mit Krebsimpfstoffen beschäftigte. Sie meldete 2012 ein Patent für die Plattform an, als sie an der Universität Genf arbeitete, und gründete das Spin-out-Unternehmen AMAL Therapeutics, um sie zu entwickeln und zu vermarkten. Belnoue war ihre erste Mitarbeiterin. Im Juli 2019 erwarb das Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim AMAL Therapeutics für 425 Millionen Euro, seinerzeit der größte Verkauf eines Biotech-Unternehmens in Europa.
Für Derouazi standen bei ihrer Forschung immer die Patienten im Mittelpunkt. „Der wichtigste Moment in meinem persönlichen Leben, aber auch für AMAL Therapeutics und das gesamte Team war der 30. Juli 2019, als der erste Patient mit unserem Impfstoff behandelt wurde. Wir erhielten um 22 Uhr eine SMS mit der Nachricht, dass der Patient behandelt worden war, und ich habe geweint. "AMAL" bedeutet "Hoffnung" auf Arabisch, und das ist es, was wir den Krebspatienten bringen möchten."
Hinweis für die Redaktionen
Informationen zu den Erfinderinnen
Nach ihrem Biologie-Studium an der Universität Genf erwarb Madiha Derouazi im Jahr 2000 einen Master of Science in Biotechnologie an der Technischen Universität Berlin. 2005 promovierte sie in Biotechnologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Darauf folgte die Postdoc-Phase am CNRS in Frankreich. Währen dieser Zeit fiel die Entscheidung, die weitere Forschungsarbeit auf Krebs zu konzentrieren. Als Derouazi 2009 ein unabhängiges Krebsimpfstoffprojekt am Universitätsspital Genf leitete, wurde sie von der dortigen Laborleitung darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihre Arbeit patentieren sollte. Dies führte zur Gründung von AMAL Therapeutics, wo Derouazi weiterhin CEO ist.
Elodie Belnoue schloss 1996 ihr Studium der Biochemie an der Universität Paris XI mit einem Bachelor of Science ab. Darauf folgte ein Master of Science in Immunologie an der Universität Paris V, wo sie 2002 auch in Immunologie promovierte. Nach ihrem Studium arbeitete Belnoue in der immunologischen Abteilung des Pariser Cochin-Instituts an der Evaluierung von Immuntherapien für Lebertumore. 2003 zog sie nach Genf, um als Postdoktorandin im Zentrum für Neonatale Vakzinologie und Immunologie zu arbeiten. Seit 2014 ist Belnoue als leitende Wissenschaftlerin bei AMAL Therapeutics tätig und koordiniert die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.
Derouazi und Belnoue werden in den europäischen Patenten EP3270957B1 (erteilt 2020), EP3270955B1 (erteilt 2020) und EP2895499B1 (erteilt 2019) als Erfinder genannt.
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Er wurde 2006 vom EPA ins Leben gerufen und ehrt Einzelpersonen und Teams, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Finalisten und Gewinner werden von einer unabhängigen Jury ausgewählt, die sich aus früheren Finalisten des Preises zusammensetzt. Gemeinsam prüfen sie die Vorschläge hinsichtlich ihres Beitrags zum technischen Fortschritt, zur sozialen und nachhaltigen Entwicklung und zum wirtschaftlichen Wohlstand. Das EPA verleiht den Preis in fünf Kategorien (Industrie, Forschung, KMU, Nicht-EPO-Staaten und Lebenswerk). Der Gewinner des Publikumspreises wird von der Öffentlichkeit aus den 13 Finalisten über ein Online-Voting auf der Webseite es EPA ermittelt.
In diesem Jahr wird das EPA zum ersten Mal auch den Young Inventors prize vergeben. Der neue Preis für junge Menschen unter 30 ist mit einer Geldprämie für die drei Finalisten dotiert, um sie weiter zu ermutigen, kreative Lösungen für drängende Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu finden.
Über das EPA
Mit 6 400 Mitarbeitern ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das EPA, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 44 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Außerdem ist das EPA weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.
Pressekontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation, Sprecher
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