1.3. Beschwerdekammern als rechtsprechende Organe
1.3.1 Gerichte nach dem EPÜ
In G 1/86 (ABl. 1987, 447) befand die Große Beschwerdekammer Folgendes: "Aus den Bestimmungen des EPÜ, die die Unabhängigkeit der Mitglieder der Beschwerdekammern (Art. 23 EPÜ), deren Zuständigkeit und Arbeitsweise sowie die Art der von ihnen getroffenen Entscheidungen regeln, geht hervor, dass es sich bei den Kammern um Gerichte handelt, die dafür zu sorgen haben, dass das Recht bei der Anwendung des Europäischen Patentübereinkommens gewahrt bleibt. […] Hinzu kommt, dass es gegen die Entscheidungen der Beschwerdekammern kein Rechtsmittel gibt. Letztinstanzliche Entscheidungen, die also ein Verfahren abschließen, bei dem es um die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandlungen und um die Wahrung der Rechte des Einzelnen geht, können in den Vertragsstaaten der Europäischen Patentorganisation aber nur von Gerichten getroffen werden."
Der auf Anregung der Großen Beschwerdekammer (G 1/97, ABl. 2000, 322) inzwischen aufgenommene Art. 112a EPÜ dient der begrenzten gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammern und bezweckt nicht die Einführung einer zweiten gerichtlichen Instanz (R 5/16, Nr. 7 der Gründe; s. Kapitel V.B.3. "Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ").
In T 1400/11 hielt die Kammer fest, dass das Beschwerdeverfahren gemäß den Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 7/91 und G 8/91 (ABl. 1993, 356, 346, Nr. 7 der Gründe, und Korr. zu G 8/91, ABl. 1993, 478), G 9/91 und G 10/91 (ABl. 1993, 408, 420, Nr. 18 der Gründe) und G 1/99 (ABl. 2001, 381, Nr. 6.6 der Gründe) als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen ist. S. auch Kapitel V.A.1. "Rechtlicher Charakter des Beschwerdeverfahrens".
In G 2301/15 no link erklärte die Große Beschwerdekammer, dass die Funktion der Kammermitglieder als Richter allgemein anerkannt ist. In der Entscheidung G 2301/16, die denselben Fall betraf, erachtete die Große Beschwerdekammer das Schreiben des Amtspräsidenten vom 10. Juni 2016 als indirekt ausgeübten Druck, der den in Art. 23 (3) EPÜ verankerten Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit untergräbt. Die richterliche Unabhängigkeit der Großen Beschwerdekammer bei der Entscheidung über diesen Fall sei grundlegend verwehrt worden.